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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Septemberheft
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Regling, Kurt: Münzsammeln in alter und neuer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0029

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Sehr bald drängt diese Literatur auf Zusammenfassung
aller Gepräge eines größeren örtlichen Gebietes, ein sog.
Corpus, wie es z. B. damals Binder 1846 für Württem-
berg, Berstett 1846 für Baden, Hoffmeister 1857 für
Hessen, Cappe für eine ganze Reihe von Gebieten
gegeben haben. Später erst haben mit immer fort-
schreitender Verfeinerung der Methode Brandenburg-
Preußen, Bayern, manche rheinisch-westfälischen Gebiete
und viele der Kleinfürsten (Anhalt, Reuß, Schwarzburg,
Stolberg usw.) und Städte (Augsburg, Frankfurt usw.) ihr
Corpus erhalten, während es für drei wichtige Staaten
mit eigener Silbererzeugung: Braunschweig, Sachsen,

Österreich noch immer schmerzlich vermißt wird. Schon
früh verließen diese Münzcorpora aber den Zuschnitt auf
die ausschließlichen Bedürfnisse des Sammlers und ver-
banden mit der Münzbeschreibung aktenmäßige Mittei-
lungen über die Geschichte und den Verlauf der Prägung,
die sich im Laufe der Zeit zu einer förmlichen Münz-
und Geldgeschichte des betreffenden Gebietes auswuchsen;
damit ist denn der höchste Zweck des Münzsammelns
und jeder Beschäftigung mit den Münzen überhaupt er-
reicht.

Man sollte nun denken, daß mit der Herstellung
eines solchen Werkes dem Sammler des betr. Gebietes
ein wissenschaftliches Ziel nicht mehr übrig
bleibe und sein Sammeln nur der Befriedigung seines
persönlichen Triebes oder Ehrgeizes ohne jenen höheren
Zweck diene. So gewiß nun das für die Mehrzahl der
Sammler auch zutrifft — ohne daß diese deswegen ein
Vorwurf träfe —, so bleibt doch auch auf den Gebieten,
wo ein solches modernes Corpus vorliegt, dennoch
immer noch zu tun übrig, da eine absolute Vollständig-
keit des Materiales nie zu erreichen ist und auch dem
kleinen Sammler immer wieder Abarten zukommen werden,
die in jenen Werken fehlen und deren Festhalten und
Veröffentlichung einen wissenschaftlichen Gewinn be- -
deutet; vielfach kann man geradezu sagen, daß das Er-
scheinen eines solchen Corpus erst recht die Anregung
gibt, Sondersammlungen danach zu gründen und das
Material zu vervollständigen. Auch können die Er-
fahrungen eines Spezialisten über Vorkommen der und
jener Münze zu statistischen Zwecken (z. B. Häufigkeit
der Prägung, örtlicher Umlauf der betr. Sorte) wertvoll
sein. Zudem umfassen jene Werke doch immer noch
nur einen Bruchteil des Gesamtgebietes, für die Mehr-
zahl bleibt die Arbeit noch zu leisten und sind da-
her Sondersammlungen als Grundlage einer solchen ge-
radezu Erfordernis. Das gilt insbesondere für das
antike Gebiet, wo zwar auch Ansätze zu solcher
Corpusarbeit vorhanden sind (das Corpus der Berliner
Akademie für Nordgriechenland und Mysien, das der
Pariser für Kleinasien usw.), aber die Mehrzahl der
Gebiete noch endgiltiger Bearbeitung harrt.

Freilich haben hier die Preise z. B. für die griechischen
Münzen der Blütezeit, das römische Gold und die rö-
mischen Groß-, ja auch Mittelbronzen, besonders wenn
sie sich durch schöne Patina auszeichnen, eine schwindel-
hafte Höhe erreicht. Aber es bieten z. B. die Billon- und
Bronzemünzen der spät r ö m i s c h e n Kaiserzeit (3. bis

5. Jahrhundert) auch für den minderbemittelten Sammler
ein sehr dankbares Feld, bei der Fülle der Varianten,
die hier bei an sich ganz häufigen Münzen Vorkommen
und deren Zusammenordnung nach dem namentlich von
Wiener Sammlern gegebenen Vorgang immer neue Er-
kenntnisse einträgt. Bei den griechischen Münzen
sollten sich die Sammler wieder mehr den Kupfermünzen
der Kaiserzeit zuwenden, für die sich das Interesse (und
damit die Preise!) seit etwa 10 Jahren erheblich verringert
hat, ganz ohne Grund, da diese Münzen so abwechs-
lungsreiche Bilder haben und der Lesung und Bestimmung
meist nur geringe Schwierigkeiten entgegensetzen. Auf
neuerem Gebiete entbehren innerhalb Deutschlands noch
viele Landschaften wie die schon oben genannten Öster-
reich, Sachsen, Braunschweig, dann aber die Pfalz, Ans-
bach-Bayreuth, viele rheinisch-westfälische Gebiete,
Mecklenburg und Pommern (Neuzeit), die baltischen
Provinzen eines modernen, wissenschaftlichen Gesamt-
werkes und reizen daher besonders zur Anlage einer
Sammlung.

Und so wie Münzen mit Gegenstempeln schon
ihre Spezialisten gefunden haben, so wäre auch die
Anlage einer Sammlung von Überprägungen, Stempel-
fehlern, Prägeversehen und dergl. lohnend. Im M i 11 e 1 -
alter endlich, um von diesem am meisten vernach-
lässigten, weil schwierigsten Gebiete zuletzt zu
reden, kann der Sondersammler nahezu überall durch
sorgfältige Sichtung des hier fortwährend durch neue
Funde zuströmenden Stoffes über die bestehenden Werke
und Ergebnisse hinauskommen. Völkerwanderung, Mero-
winger, die sogen. Dannenbergzeit (911—1125) werden
dabei gleichmäßig wichtig sein, und in den späteren
Perioden wird zudem das große ästhetische Vergnügen,
das in der romanischen Zeit die obengenannten Brak-
teaten, in der gotischen Periode die deutschen Groschen
und die rheinischen, niederländischen, französischen,
englischen Goldmünzen bieten, stets für etwaigen Ausfall
wirklicher wissenschaftlicher Ergebnisse entschädigen.
Am wenigsten ergiebig nach jeder Richtung hin werden
stets die Münzen der neuesten Zeit sein, also für
Deutschland die von 1837—1871, die nach dem Ver-
fasser der hierfür benutzten Handbücher „Schwalbach-
münzen“ heißen, und die seit 1871, d. h. die Reichs-
münzen. Als Quelle al 1 g e m e i n er Geschichtserkenntnis
kommen sie nicht in Betracht, die M ü n z geschichte
dieser Perioden läßt sich aus den Akten fast ohne die
Münzen darstellen, und ästhetische Freude erwecken die
wenigsten unter ihnen; nur das reine, an ihnen bequem
und ohne Vorkenntnisse zu befriedigende Sammlerver-
gnügen hat sie so beliebt gemacht, wissenschaftlich
stehen z. B. diejenigen Zweige der Postwertzeichenkunde,
wo die Akten fehlen und die Briefmarken allein die
Quelle zur Kenntnis des Frankierungswesens sind, ent-
schieden höher.

Das Sammeln von Medaillen, also von münz-
ähnlichen metallenen Zier- und Erinnerungsstücken, hat
sich im 19. Jahrhundert meist im engen Anschluß an
die örtlich und zeitlich zugehörigen Münzen bewegt. In
neuerer Zeit macht sich das Bestreben geltend, sie für

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