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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Septemberheft
DOI Artikel:
Schmitz, Hermann: Der Hausbuchmeister im Kunstgewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0031

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Abb. 1. Hausbuchmeister: Vorzeichnung
für das Glasgemälde Abb. 2.

Berlin, Kupferstichkabinett.

wo die Malerei ebenbürtig
neben die älteren Schwester-
künste trat, überhaupt eine
beherrschende und vielum-
fassende Stellung in dem
Kunstleben diesseits der
Alpen. Es bildet sich jetzt
häufig ein ähnlicher ge-
nossenschaiticher Betrieb aus,
wie er früher in den Dom-
bauhütten unter der Ober-
leitung der Steinmetzen ge-
herrscht hat. ln ganz anderer
Weise stand damals dieMaler-
werkstatt mitten im Leben
der Zeit als in unserer
Epoche der Kunstausstel-
lungen und -Sammlungen.

Mit Ausnahme des Portraits
schuf sie sozusagen nur „an-
gewandte Kunst“; sie er-
streckte ihre Tätigkeit häufig
auf das ganze Bereich der
angewandten Künste. Im ton-
angebenden burgundischen
Kunstgebiet treten frühzeitig
derartige, im Aufträge des
Herzogshauses vielbeschäftigte Künstler auf. Als ein
Hauptvertreter kann Melchior Broederlam von Ypern
gelten, der Schöpfer des Altares der Karthause in Dijon,
der mit seiner Gesellenschaar außer Altar- und Wand-
gemälden die Bemalung von Statuen, Möbeln, Bannern,
Turniergerät, selbst der Segel und Flaggen der herzog-
lichen Flotte übernahm und außerdem Entwürfe für Fest-
dekorationen,
Gewänder und
Schmuck fer-
tigte.

In Deutsch-
land ist dieser
handwerkliche
Betrieb der
Malerwerk-
stätten noch
stärker ausge-
prägt.

Die Maler
hatten An-
streicher-

„ arbeiten aller

Abb. 2. Vierpaßscheibe . , ,. ,,,

nach der Zeichnung Abb. 1. Art, die Wappen

Berlin, Kunstgewerbemuseum. an Stadttoren

und Rathäusern,

die Schilde der Ritter (daher die Schilder genannt),
Turnierschmuck, Pferdegeschirr, Sättel, Dosen, Fahnen
und Festgerät zu bemalen. Meister Bertram in Hamburg
und Stephan Lochner in Köln, um zwei Hauptmeister zu
nennen, haben urkundlich zahlreiche Arbeiten der Art
erledigt. Die wichtigste Aufgabe der Malerwerkstatt, die

Herstellung der mit dem
15. Jahrhundert stetig an
Ausdehnung wachsenden
Flügelaltäre, trug zur Aus-
bildung des handwerklichen
Betriebes wesentlich bei. Die
Malerwerkstatt übernahm
meist die Bestellung für das
Ganze, sie fertigte die Ge-
samtentwürfe auch für den
Bildhauer; die Staffierung
der Plastik mit Kreidegrund,
Blattgold und Farben fiel ihr
gleichfalls zu. Ja, des öfteren
scheinen die Malereien und
geschnitzten Teile in einer
Werkstatt gefertigt zu sein.
Meister Bertram hat wahr-
scheinlich, Multscher und
Pacher haben urkundlich
neben der Malerei die Bild-
hauerkunst betrieben. Die
Werkstatt Wolgemuts in
Nürnberg ist vielleicht das
umfangreichste Unternehmen
für riesige Altarschreine ge-
wesen. Weiterhin lieferten
die Maler Entwürfe für die Holzschneider, die Buch-
und Briefmaler. Vor allem hatten sie die Kartons für
die Glasmalerei zu zeichnen, auch hier ist in nicht
seltenen Fällen ihre Mitarbeit bei der Ausführung nach-
zuweisen. Endlich zeichneten sie Patronen für die Bild-
sticker, namentlich am Niederrhein und in Flandern, und
für die Bildwirker. Neben den Goldschmieden haben
sie zuweilen
auch den Leder-
arbeitern, den
Waffen-
schmieden und
Harnisch-
machern, selbst
Geschütz-,

Mühlen- und
Maschinen-
meistern Zeich-
nungen ge-
liefert.

Dieses Zu-
sammen-
wirken der
freien

Künstler mit
den Kunst-
handwerkern, das zur Blüte der Kunst im fünf-
zehnten und sechzehnten Jahrhundert beigetragen hat,
verdient die größte Aufmerksamkeit des Historikers und
Kunstfreundes. Bei seiner Verfolgung kann man deutlich
wahrnehmen, auf welchen Wegen der von den großen
Künstlerpersönlichkeiten geschaffene Stil allmählich das

Abb. 3. Wappenscheibe des Abtes
Hulzing von Alpirsbach um 1482.

Stuttgart, Altertumsmuseum.

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