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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
2. Dezemberheft
DOI Artikel:
Singer, Hans Wolfgang: Einige Glossen zur neueren Künstler-Illustrationskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0168

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Das letztere trifft nun einigermaßen|zu in den schönen
Werken, die ein Menschenalter später für Kaiser Maximilian
geschaffen wurden. Hier wird die Illustration im wesent-
lichen so aufgefaßt, wie sie besonders das 19. Jahrhundert
aufgefaßt hat, als eine möglichst getreue Verkörperung des
im Text Gesagten. Was der Verfasser dem Ohr ge-
wissermaßen bietet, ge-
nau dasselbe will der
Künstler dem Auge bie-
ten: er verbildlicht das
Wort. Dabei bleibt es
einige Jahrhunderte lang.

Innerhalb dieser Ge-
samtauffassung spielt das
mit Kupferstichen illu-
strierte Buch eine eigene
Rolle, die gegen Schluß
des 18. Jahrhunderts zu
glänzender Höhe geführt
wird. Es ist technisch
viel schwieriger, ein Buch
mit Kupferstichen zu illu-
strieren als mit Holz-
schnitten. Die ersten
„livres ä figures“ waren
bereichert, nicht ge-
schmückt. Es waren
ihnen einfach selbstän-
dige Kupfer beigelegt.

Es bedurfte eines Spezifi-
cums, das diese Kupfer
buchtechnisch zu Illustra-
tionen stempelte, und
das tritt allmählich in
Wirkung. „Das orna-
mentale Motiv, das den
Illustrationen beigegeben
wird, um sie als spezi-
fische Bücherbilder zu
kennzeichnen, ist die
Einfassung, die Umrah-
mung, die in den reifsten
und verfeinertsten Bei-
spielen in reicher Weise
ausgebaut wird und zwar so, daß die Umrahmnng rein
graphischer Schmuck bleibt, nicht aber als wirklicher
Rahmen, vergrößert an der Wand, plastisch ausführbar
wäre.“

Die so zur Dekoration gewordene Illustration lockert
die Seiten des Buchs auf, lockert auch den Satz der Druck-
seite selbst auf, der zuerst durchschossen statt kompreß
und mit reichlichem Ausschluß versehen wird, dann aber

sich nach einer eleganten Kursiv-Type umsieht, die sich
dem graziösen Strich der Kupferplatten anschmiegen kann.

So sehen wir, daß die Illustration, innerlich ganz
vom Text abhängig, hier auf die Äußerlichkeiten des
Textes ihrerseits bestimmenden Einfluß ausgeübt hat.
ffi [Gelegentlich aber tritt sie noch in ganz anderem

Maße herrisch gegenüber
dem Text auf. So z. B.
bei Menzel. Menzel illu-
striert nicht mehr im oben
ausgeführten Sinn; er liest
zwischen den Zeilen und
kommentiert den Text.
Zu dem Brief Friedrichs
des Großen an De la Motte
Fouqu£ in dem der König
meint, man brauche es
nicht zu bedauern, wenn
es keinen Homer gäbe,
da man jetzt in der Person
des Voltaire einen glän-
zenden Dichter besäße,
der den Homer völlig
in den Schatten stelle,
zeichnet Menzel das Bild
eines gezierten Rokoko-
stutzerchens , der den
antiken Dlissos Torso des
Parthenon mit einer zopfi-
gen Kleopatrafigur aus
Sanssouci vergleicht und
augenscheinlich die letz-
tere für das bessere
Kunstwerk hält.

Das ist nun eine
höchst eigenartige Auf-
fassung von der Pflicht
der Illustration! Denn
hier wird nicht einmal
neben dem, geschweige
denn mit dem, sondern
geradezu gegen den
Text illustriert. — Hierauf
folgt die Illustrationskunst
unserer Tage, die, wie eben besprochen, auch ihre vom
Verfasser sie trennende Wege geht.

Neuerdings bin selbst ich, der gar nicht mehr mit
dem Universitätswesen in Verbindung steht, um Angabe
von Themen für Doktordissertationen gebeten worden.
Wäre nicht eine Untersuchung über den Wandel in der
Illustrationskunst, wozu ich hier ein paar Glossen gab,
ein schönes und dankbares Thema?

Legrand. Fantaisie sur Guenard.

Paul Graupe, Berlin.
 
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