Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Januarheft
DOI Artikel:
Zahn, Leopold: Das moderne Kunstgewerbe in Deutschland und Frankreich: zum Plan einer internationalen Kunstgewerbe-Ausstellung in Paris 1922
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0182

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sachlichen Forderungen der modernen Kunstgewerbe-
bewegung nichts anzufangen. An einen nationalen Zu-
sammenschluß der Kräfte wurde nicht einmal gedacht.
Die moderne Kunstgewerbebewegung in Frankreich —
was war sie? Ein amüsantes Experiment, die Gelegen-
heit für einzelne Künstler, ein entzückendes Feuerwerk
glücklicher Einfälle zu veranstalten.

Wie anders verlief die Bewegung in Deutschland!
Hier griff man den neuen Gedanken nicht nur mit Be-
geisterung auf, sondern dachte ihn auch logisch zu Ende.
Wofür man in Frankreich gar kein Verständnis gehabt
hat, für das Sachliche und Ethische der Idee, entflammte
man in Deutschland am heftigsten und zuletzt nicht nur
vereinzelte Künstler, sondern vielmehr das ganze Volk,
soweit es überhaupt an künstlerischen Fragen lebendigen
Anteil nahm. So konnte sich hier auf nationaler Basis
ein modernes Kunstgewerbe entwickeln, dessen Leistungen
die Anerkennung der ganzen Welt erzwangen.

Als sich die Franzosen im Kriegssommer 1916 in
der Gründungsversammlung des „Comitö Central
Technique des Arts AppliquSs“ über das
Fehlerhafte ihrer bisherigen Bemühungen um ein modernes
nationales Kunstgewerbe klar wurden und einen Orga-
nisationsplan entwarfen, wußten sie nichts Besseres zu
zu tun, als die Richtungslinien des Werkbundes für ihre
Zwecke nachzuzeichnen (wie es auch die Engländer in
den Satzungen ihrer „Design and Industries Association“
gemacht hatten).

Welcher Leistungen diese johannistriebartige An-
strengung fähig war, wissen wir nicht, eines steht aber
fest: es war keine Begeisterung ethischer oder künstle-
rischer Natur, die zu diesem späten Entschluß, das
französische Kunstgewerbe im modernen Sinne zu regene-
rieren, geführt hat, sondern ein chauvinistisch verzerrter
Ehrgeiz, dem Feind den Rang abzulaufen. Dafür zeigt
schon die im Zusammenhang mit der französischen
Kunstgewerbefrage entstandene Kriegsliteratur z. B. das
Buch Marius Vachons „La guerre artistique
avec L’Allemagne“ mit dem Untertitel „Organi-
sation de la Victoire“ (Payot Paris 1916).

Die Franzosen können sicher auf die Originalität
und Eleganz ihres Geschmackes rechnen. (Trotzdem
wird es ihnen nicht leicht fallen, das Geschmacksniveau
der „Wiener Werkstätten“ zu überbieten). Wir Deutsche
tun jedenfalls gut daran, nur das Beste vom Gegner zu
erwarten. Es wäre verderblich für uns, wenn wir den
kunstgewerblichen Wettstreit mit Frankreich anders aus-
tragen wollten, als mit rein künstlerischen und sittlichen
Waffen.

Wir können — schon Karl Scheffler hat diesen
Appell an den Werkbund gerichtet — nichts Besseres
tun, als zu den ursprünglichen Gedanken und Absichten
des Werkbundes zurückzukehren. D. h. aber, daß wir
das Ethos der beseelten Arbeit wieder höher
stellen müssen als die Progression der Export-
ziffer.

Oeyser

Oskar Rautlie, Berlin-Friedenau

Neujahrsgruß für Datuen
 
Annotationen