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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Februarheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [3]: die englischen Pressen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0253

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die nicht allein einzig in ihrer Art sondern auch hervor-
ragend als Höchstleistungen der Kunst im Buchdruck sind.

Hätte Morris Nachfolger gefunden, die in seinem
Geiste seine Gedanken verbreitert und vertieft hätten, so
wären Versuche, die typographischen Ausdrucksmittel
durch die Kunst im Buchdruck weiterzufiihren, wohl
nicht unterblieben (und in diesem Zusammenhänge sei
der Experimente Pissarros gedacht, das Notendruck-Ver-
fahren des sechzehnten Jahrhunderts wieder zu beleben,
das durch zwei Druckgänge allergenaueste Einrichtungen
erfordert, dafür aber auch vortreffliche Wirkungen zu
stände bringt). Und auch in England ist die Kunst im
Buchdruck aus dem Verlangen nach marktgängigen Werten,
von der Doves Press und einigen anderen Ausnahmen
abgesehen, nicht der Ver-
flachung und Verhübschung
entgangen, einer Gefahr, die
durch die Verwandlung des
Buchkunstwerkes in die Luxus-
edition stets gegeben sein wird.

Betrachten wir die in ihren
hauptsächlichsten Vertretern
eben gekennzeichnete Buch-
druckkunstbewegung Englands,
die durch die Erscheinung der
„Pressen“ dem Revival of
Printing sein besonderes buch-
gewerbliches Kennzeichen gab,
so finden wir als ihre Grund-
lagen einerseits die Bemühun-
gen um eine Druckschrift-
vervollkommnung, die das les-
bare und schöne Satzbild
schaffen sollte, andererseits
das Bestreben, den Arbeits-
rythmus einer einheitlichen
Buchschöpfung an die Stelle
der mechanischen Buchfabri-
kation zu setzen, um so
Ebenmäßigkeit und Einheit
eines Druckwerkes zu gewin-
nen und damit dessen äußere
und innere Harmonie zu voll-
enden. Die Arbeit mit der
Hand, der Handpressendruck, der gegenüber der Glätte
der Maschinenherstellung, mag diese auch schlechthin
technisch vollkommener sein, den Vorzug hat, eine
tiefere Typenprägung und mit ihr ein feineres Satz-
bild zu erzeugen, vereinheitlicht nicht nur sondern ver-
innerlicht auch den ganzen Arbeitsvorgang, indem sie
dazu zwingt, das Werkstück als ein Ganzes aufzufassen,
das nicht mit seinen losgelösten Teilen, das mit deren
Verbindung wirkt. Die Vereinfachung, wenn auch Ver-
längerung des Werkes zwingt die Werkleute in dessen
Bann, auch sie müssen die Bestimmungen des Ganzen
von Anfang bis zu Ende im Auge haben, in einer höheren
Auffassung ihrer Werkstattpflicht leben, künstlerisch
fühlen und gestalten. Verwirklichung der Vollkommen-
heit ist ihr Ziel und der Sinn ihrer gelungenen Leistung

ist das Beispiel, das für die Buchherstellung von ihrer
Überzeugung und von ihren Werken ausgeht. Der Massen-
arbeit, die die Buchverbreitung fördert, geben sie einen
Maßstab ihrer Entwicklung zur Veredlung. Daß die der-
art entstandenen Kunstwerte auch Liebhaberwerte sind
und den Reichtum des Sammlers vermehren, wird für die
ästhetischen und ethischen Ziele der Buchkunstbewegung
von keiner ihre Richtung bestimmenden Bedeutung sein.
Hochkonjunktur und Luxuspublikation haben deshalb einen
anderen Ausgangspunkt, sind geschäftliche Spekulationen,
auch dann noch, wenn aus diesen wirklich einmal echte
Kunstwerke entstehen sollten. Den angemaßten Namen
der Buchkunst aber führen sie zu Unrecht.

Bei einem Buche ist die Druckschönheit, mag die Druck-
seite einfach oder geschmückt
sein, von einer ganzen Reihe
von technischen Voraussetzun-
gen abhängig, die alle Zu-
sammenwirken müssen, damit
der Druck gelingt. Zunächst
muß das Buch von Anfang bis
zu Ende gleichmäßig ausge-
führt sein. Der nüchterne Sinn
für das Werkstück, das gute
Stück Arbeit, den anständigen
Durchschnitt, aber den an-
ständigen Durchschnitt aller
Einzelheiten eines Stückes,
muß es haben. Das war es,
was Charles Whittingham den
Erzeugnissen seiner Chiswick
Press gab. Die Werkstatt-
freudigkeit, den Glauben an
die gute Werkmannsleistung
und mit ihm die liebevolle
Sorgfalt, mit der die alten
Meister ihre Arbeit betreuten,
fand William Morris wieder
und mit ihm begründete er
die Kunst im Buchdruck als
eine ästhetische Doktrin, die
sich für ihn aus ihren gewerb-
lichen Grundsätzen und vor
allem auch aus der Berück-
sichtigung dessen, was die Zweckbestimmung eines ge-
druckten Buches sein soll, entwickeln mußte. Gerade
den letztbezeichneten Bestandteil seiner Lehre vom
schönen Druckwerk darf man nicht, wie es leider neuer-
dings oft geschieht, übersehen, er ist für sie, für alle
Bestrebungen, die der Buchschönheit gelten, wesentlich.

Das Element der Druckseite ist die Druckschrift,
aber sie ist nicht ihr einziges Element. Denn nicht die
Lettern allein, mögen sie noch so schön sein, bringen
die schöne Seite zustande, sondern ihre Verbindung im
Satz. Damit ist dann auch gesagt, daß nicht ausschließ-
lich der Satz einer Seite bedingend für das schöne, ge-
druckte Buch ist, daß vielmehr beide Seiten eines aufge-
schlagenen Buches, wie es sich dem Leser zeigt, in ihren
Beziehungen zueinander eine Einheit bilden, die ele-

Menzel Die Verfolgung

(aus Versuche auf Stein mit Pinsel und Schabeisen)

Auktion der Doubletten des Berliner Kupferstichkabinetts
Amsler und Ruthardt, Berlin

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