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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Februarheft
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Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Holländischer Kunstbrief / Schweizerische Kunstchronik / Aus dem Pariser Kunstleben / Newyorker Kunstschau / Denkmünze zur Erinnerung an die deutsche Revolution / Moderne Graphik
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0263

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Holtändifcbeü Kunftbt’tef.

Ausheilung bei Qondhikket? in Am(tet?datn.

Aus Amsterdam wird uns berichtet: Die bekannte

Amsterdamer Kunsthandlung Gondstikker reist in den letzten
Jahren mit ihren wechselnden Beständen an alter Kunst im
Lande umher und veranstaltet in den verschiedensten Städten
Ausstellungen. Vergangenen Sommer konnte man ihre Schätze
in der Akademie in Rotterdam bewundern, im November zeigte
sie eine sehr interessante Sammlung alter Gemälde im Haag im
Pulchtoi Studio und kürzlich hatte sie in den vornehmen Räumen
eines alten Patrizierhauses auf der Heerlegracht in der „Maatschappy
voor beeidende Künsten“ eine sehr sehenswerte Kunstschau
arrangiert. Es versteht sich, daß in diesen Ausstellungen stets
gewisse Werke wiederkehren, denn so schnell ist der Umsatz
natürlich nicht, daß Gondstikker immer mit ganz neuen Werken
vor sein Publikum treten kann. Die beiden letzten Ausstellungen
im Haag und in Rotterdam entlehnten ihr Hauptinteresse dem
Umstand, daß Gondstikker hier die Sammlung August Jansen
sehen ließ, die er im vergangenen Sommer von dessen Erben
erworben hatte. Einige der wichtigsten Stücke dieser Sammlung
konnten allerdings nicht mehr gezeigt werden, da sie schon vor-
her verkauft waren und zum Teil das Land verlassen hatten, so
zwei Rembrandts, die Jansen wie seine meisten andern Ge-
mälde im Laufe der Jahre von Fred. Müller <& Co. erworben
hatte. Die Lukretia, die Perle der Sammlung, die Fred. Müller
erst von Amerika zurückerobert hatte, die aber dann doch Holland
wieder an einen kaufkräftigeren Liebhaber in Schweden hat ab-
treten müssen, und ein kleines Frühwerk, Abraham bewirtet die
Engel, das Bode noch unbekannt war. Aber abgesehen von diesen
beiden Stücken waren noch genug Meisterwerke übrig geblieben;
daß es sich hierbei fast ausschließlich um holländische Bilder
handelt, wird jemand, der den holländischen Geschmack kennt,
kaum wunder nehmen. Ein paar nichtholländischer Gemälde, eine
Venus von Cranach und eine Madonna von Schiavone
stammten nicht aus der Sammlung Jansen, sondern aus deutschem
Besitz. Eine Überraschung der Ausstellung war ein neuer
Rembrandt, eine romantisch-barocke Landschaft, die durch
ihren Stil den verschiedenen um 1640 entstandenen Landschaften
des Meisters anzureihen ist. Eine unheimlich-düstere Stimmung
von großer Gewalt ist in diesem Naturgemälde zum Ausdruck
gebracht: etwas wie Weltuntergang scheint über diese

unholländische Landschaft hereinzubrechen. Ein Beleuchtungs-
kontrast von solcher Kühnheit steht nicht nur in Rembrandts
Werk einzig da; was die verwandten Landschaften aus dieser
Zeit bieten, sind nur schwache Anläufe. Schwarze Gewitter-
wolken, die mit großer Schnelligkeit den Himmel zu überziehen
scheinen, verbreiten eine nachtähnliche Finsternis über ein nach
dem Hintergrund bergrückenartig ansteigendes Gelände, nur ein
Streifen im Mittelgrund, mit Requisiten aus andern gleichzeitigen
Landschaften Rembrandts ausgestattet, mit steinernen Brücken-
bögen und einem Obelisk und ferner einem Erntewagen, auf den
noch hurtig Garben aufgeladen werden, wird von dem hellsten
Sonnenlicht noch eben übergossen, daß alle Gegenstände —
dank sei der pastosen Malweise an dieser Stelle — mit der
größten Deutlichkeit hervortreten; der unmittelbare Vordergrund
wird wieder von einem dunkelen Schattenrande gebildet. Man
hat das unheimlich beängstigende Gefühl, dem der Künstler in
dieser visionären Landschaft Ausdruck verliehen hat, in
Zusammenhang mit dem Tode seiner Mutter bringen wollen, wie
ja auch die im Vorwurf wenigstens damit verwandte Radierung
mit den drei Bäumen, wo auch ein schnell aufziehendes Unwetter
dargestellt ist, dann aber in klassisch-klarer und nicht in so
maßlos barocker Manier dem Tod der Mutter ihre Entstehung zu
danken haben soll. Über die Herkunft dieses merkwürdigen
Werkes, das wirklich einen 6tat d’äme repräsentiert, erteilt der
Katalog keinerlei Auskunft. Der andere Rembrandt, den die
Ausstellung zu genießen gab, war das in starken Lokalfarben
ausgeführte Werkchen David der Saul, das Haupt Goliaths bringt,
eine kleine abgerundete Komposition, in der sich Rembrandts
barocker Wirklichkeitsfanatismus außer in dem glänzend durch-

geführten orientalischen Milieu den prächtigen, reichen Kostümen
besonders in so kleinen, dem Leben abgelauschten Zügen Luft
macht, sowie dem den abgehauenen Kopf anbellenden Hund und
den zusammentuschelnden Kindern, die die lange schwere Schleppe
des unförmig dicken jüdischen Despoten mit den großen Kalbs-
augen tragen müssen.

Von Rembrandtschülern war B o 1 mit einem akademischen
Bildnis Vondees und Aert de Gelder mit einem 1698 datierten
und bezeichneten Porträt eines Architekten vertreten, das in der
charakteristischen Farbenskala des späten Rembrandts gemalt
war, aber für eine eingehendere Betrachtung leider zu hoch ge-
hängt war; Professor Jan Veth ist der glückliche Besitzer. Von
anderen Porträts sah man ein männliches Brustbildnis, das auf
Frans Hals getauft war, eine tüchtige Arbeit, bei der sich in
dem Erfassen des Momentanen, wie beispielsweise in dem über
das offene Gesicht hinhuschenden Lächeln und den schalkhaft
blickenden Augen, und ferner so einem Detail von der kräftig
modellierten, plastischen Hand die Kunst des Meisters verrieten. —
Nüchtern, ja hausbacken wirkte daneben die behäbige Bürgers-
frau, Dame wäre zuviel gesagt, die Albert Cuyp schlecht
und recht als Halbfigur dargestellt hat, ein zweifellos gutes Stück,
aber der belebende, geniale Funke eines Hals fehlt doch hier.
Eine aristokratische Erscheinung, mit klugem Gesicht und feinen,
schlanken Händen, Kniestück, war in einem andern Werke fest-
gehalten worden, das van Dyck zugeschrieben wurde und ln
dem Gondstikker wegen einer Inschrift auf der Rückseite einen
Vicomte de Vilain erkennenden Musen glaubte. Von den Figuren-
bildern bereitete ein kleines Werk von Vermeer, das junge
Mädchen mit der Flöte, aus der Sammlung de Grez in Brüssel,
eine Enttäuschung; man vermißt die Harmonie zwischen den
verschiedenen starken Farben, es erscheint bunt. Nun erwartet
man bei Vermeer kein seelisches Leben; seine Figuren sind ja
meistens nur vegetative Wesen; aber hier blicken die großen
Augen des jungen Mädchens direkt blöde und scheinen keines-
wegs auszudrücken, was in einer Monographie des Meisters
diesen Augen nachgerühmt wird, daß sie träumerisch in die
Ferne sähen, in Nachsinnen verloren über die Klänge, die die
Flötenspielerin eben ihrem Instrument entlockt hatte. Erwähnen
wir von Figurendarstellungen noch einen Bauernkopf von
Brouwer, eine durch den Trank entstellte Physiognomie, ein
Degenerationstypus, wie man sich einen Gorkischen sich selbst
anklagenden Trunkenbold vorstellen könnte.

Von den Gesellschaftsbildern waren zwei große Festbankette
von Dirk Hals und Jan Steen besonders bemerkenswert;
von Hals ein Fest in einer Renaissancehalle, von Steen eine
Hochzeitsdarstellung, die letztere aus der Sammlung des Königs
Leopold von Belgien; dieselben boten als typische Repräsen-
tanten zweier verschiedener Entwicklungsstufen der holländischen
Malerei zu lehrreichen Betrachtungen Anlaß. Bei Hals Figuren

Carl Brack & Keller, G. m. b. H., Berlin W. 9
Kleine gewählte Collection alter u. moderner Meister

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