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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1./2. Märzheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Württembergische Glas- und Edelsteinschneider, [1]: eine Untersuchung
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0275

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Württembergs älterer Zeit — von einer einzigen Ausnahme
abgesehen — vollständig fehlen, ist es natürlich schwer,
ja geradezu unmöglich, die wenigen erhaltenen Arbeiten,
die mit Württemberg Zusammenhängen, dem oder jenen
Meister zuzuteilen. Dies gilt nicht nur für die im W i e n e r
Hofmuseum (Saal XIX, Vitr. IV Nr. 3) verwahrte, ge-
deckelte, ovale Fußschale aus rotem, gefleckten Achat,
die in ihrer Renaissance-Goldemail-Montierung wichtiger
ist und auf dem Deckel nebst einer Jagd-Allegorie das
württembergische Wappen zwischen Hirsch und Bär(!)
zeigt, sondern ebenso für die beiden wertvollsten R e -
naissance-Bergkrystall-Stücke, die das
Landeswappen tragen: Das eine ist ein kleiner, email-
montierter Deckelpokal in der Petersburger
Eremitage vom Jahre 1576. Oben mit einem
Lorbeerkranz geschmückt, zeigt er unten das von Tritonen
und Nereiden bevölkerte Meer; dem württembergischen
Wappen steht auf der anderen Seite das badische gegen-
über; es handelt sich somit um eine Arbeit für Dorothea
Ursula, seit 1575 Gemahlin des Herzogs Ludwig (1568
—93), -j-1583, also dieselbe Fürstin, von der das Karls-
ruher Altertumsmuseum die herrliche, eingelegte Braut-
trulie von Andreas Winckle vom Jahre 1579 besitzt. Die
Buchstaben „N G W G“ zwischen der Jahreszahl halte
ich für kein Meisterzeichen, sondern für die Abkürzung
eines Leitspruches. — Das andere ebenfalls reich mit
Edelsteinen und Email verzierte Stück ist die große
Bergkrystallschüssel (Dm. 46 cm) nebst zu-
gehöriger Kanne (H. 28 cm.), die aus dem Pfälzer
Schatz aus Mannheim 1781 in die Münchener Schatz-
kamm er kam; sie trägt neben geschnittenen Blumen-
gewinden das württembergische Herzogswappen mit der
Umschrift: „V : G : G : Joh : Fri : Herzog : Zu : Wirt : Un :
Thek : Gr : Zu : Mp : H : Zu : Heid;“, bezieht sich somit
auf den Herzog Johann Friedrich (1608—28). Da dieser
die Grafschaft Mömpelgard im Jahre 1617 an seinen
Bruder Ludwig Friedrich (den Stifter der jüngeren Mömpel-
garder Linie) abgetreten hat, wird die Entstehungszeit
der Krystallschüssel wohl vor diesem Jahre anzusetzen
sein Sowohl für dieses Prunkgerät, wie auch für den
heute in Petersburg verwahrten Deckelpokal von 1576
württembergische Herkunft anzunehmen, liegt kein Grund
vor; sie ist sogar unwahrscheinlich. — Ganz sicher nicht
in Württemberg ist der schöne (leider schwer beschädigte),
tiefgeschnittene Bergkrystallbecher der Stutt-
garter Altertümersammlung (Abb. 2) ent-
standen, der neben dem württembergischen Wappen des
Herzogs Eberhard III. (1628—74) und dem des Mark-
grafen Wilhelm zu Baden-Baden (1593—1677), auch die
ihrer Frauen Marie Dorothea Sophie (der Steinschneider
hat irrtümlich statt das M ein N eingeschnitten), bezie-
hungsweise Maria Magdalena, beide Töchter des letzten
Grafen von Oettingen-Oettingen (Heiraten 1650, bezw.
1656), aufweist; bald nach 1656 ist seine Entstehungszeit
anzusetzen11). Man wird, da es sich sicherlich um eine
deutsche Arbeit handelt, nicht irre gehen, als den Meister
dieses ganz vorzüglichen (durch den neuen oberen Silber-

n) Die Abrollung der Mantelfläche dieses Doppel-AIliance-
Krystallbechers ist bereits in der “Gewerbehalle“ 1885, Lieferung 8
nach Zeichnung veröffentlicht.

reifen entstellten) Stückes den ersten damaligen Krystall-
und Glasschneider, nämlich den Nürnberger Georg
Schwanhardt d. Ä. (f 1667) anzusprechen, und gerade
dieses Stück als wichtiges Übergangsglied von der frü-
heren, strengeren Art zu der späteren, freieren Manier
(vgl. die Jagdfigürchen unten) aufzufassen, die dieser
Meister12) auch am „Großen Moskowiterschrank“ im Ber-
liner K.-Gew.-Museum bereits entwickelt hat und damit
seinen Nachfolgern H. W. Schmidt und H. Schwinger neue
Wege wies. — Aber auch unter den heute noch erhal-
tenen Krystallobjekten der — in der Stuttgarter Alter-
tümersammlung verwahrten — alten herzoglichen Kunst-
kammer wird man, sofern es sich überhaupt um deutsche
Stücke handelt, kein einziges mit Bestimmtheit auf Würt-
temberg zurückführen können. Provenienz-Angaben, wie
z. B. bei zwei guten emaillierten, bereits dem 17. Jahr-
hundert angehörigen Stücken mit den geschnittenen
Blumenranken aus Freiburg i. B., fehlen sonst, und nur der
als Pokal montierte Krystallbecher mit den kleinen Kuge-
lungen auf Facetten, dessen gravierte Fassung mit dem
belebten Bandelwerk schon auf das dritte Jahrzehnt des
18. Jahrhundertes hinweist, aber leider keine Beschau
trägt, könnte mit einem der oben genannten Edelstein-
schleifer und -Schneider vielleicht Zusammenhängen.

Aber auch die erhaltenen geschnittenen Gläser
lassen uns für die nähere Bestimmung ziemlichem Stiche.
Aus der Renaissancezeit13) ist natürlich überhaupt nichts
Geschnittenes vorhanden14); aber selbst ein Stück, das

12) Auf die Schwanhardt-Werkstatt in Nürnberg geht auch
jener, ebenfalls metall-geflickte Glaspokal im Museum von Heidel-
berg zurück, der für den Hochmeister Johann Caspar von Ampringen
des deutschen Ordens zu Mergentheim 1665 geschnitten
wurde und dessen gutes Brustbild und Wappen nebst Frucht-
büscheln und den Titelbuchstaben „JOHAN CASPAR ADM •

D H M-I P M-T • O • I • T ■ V • W • L ■ H • Z • F • V • E“
aufweist; eine württembergische Herkunft ist auch hier ganz
ausgeschlossen.

13) , Die Renaissancegläser mit württembergischen Wappen
sind entweder emailbemalt, wie der etwas primitive Wappenhumpen
der Prinzessin Dorothea Marie, die 1583 den Pfalzgrafen Otto
Heinrich von Sulzbach geheiratet hatte, von 1596 im Münchener
Nationalmuseum, oder aber diamantgerissen, wie die schöne blaue
Schale von 1618 im Berliner Kunstgewerbemuseum, die die
Wappen der Eleonara von Württemberg (f 12. Januar 1618) und
ihres ersten (!) bereits 1586 verstorbenen Gatten Joachim Ernst
von Anhalt-Zerbst trägt, merkwürdigerweise nicht das ihres zweiten
Gatten, des Landgrafen G. L. von Hessen-Darmstadt. Nur der
Dekor ist bei diesem Glase deutsch, während das Glas selbst
venetianischen Ursprungs ist. — Der gleiche Fall trifft auch bei
einem sehr feinen Stengelglas mit Traubenfuß in der Hof-
kellerei von Dresden zu, das in zarter deutscher Email-
malerei und Goldhöhung die Wappen und Initialen der württem-
bergischen Prinzessin Sibylle Elisabeth (-f 1606) und ihres Gemahls
des Herzogs und späteren Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen
(f 1656) trägt und aus ihrem Vermählungsjahr 1604 stammt.

14) Auch die beiden württembergischen Glaser, die vor dem
dreißigjährigen Krieg in die damalige deutsche Kaiser-Residenz
Prag zogen, um sich dort niederzulassen, haben sicherlich noch
nichts mit dem Glasschnitt zu tun, nämlich Johann Schmidt
aus „Tuwnyk“ (czechische Verballhornung von „Tübingen“) am
23. Juli 1597 und Johann Ff rum am 5. Mai 1617. — Auch Martin
Ober mit einem Geburtsbrief aus Rottweil, der am 19. Novem-
ber 1694 ebenfalls das Bürgerrecht der Altstadt Prag erwirbt und
daselbst noch 1734 nachweisbar ist, wird sich kaum als Glas-
schneider betätigt haben.

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