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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1./2. Juliheft
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Meder, Carl: Erinnerungen an Max Klinger
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0421

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zu stark angeheiterten Laune. Klinger, dem ich das er-
zählte, horchte auf und sagte dann beruhigend: „Nehmen
Sie das nicht so ernst, Greiner ist ein Querulant und
schwer zu behandeln. Ich hatte ja selbst mit ihm meine
Plage, als ich ihn porträtierte.“ ... Es war übrigens
merkwürdig, daß Klinger dann plötzlich von seinem all-
geliebten Menzel sprach, den er so hoch schätzte, daß
er seine Zeichnungen kaufte und mit ihnen stolz sein
Atelier schmückte.

Über geschäftliche Dinge haben wir, so oft wir auch
beisammen waren, niemals gesprochen, denn Klinger
vermied dieses Thema. Am liebsten unterhielt er sich

Pessimismus doch etwas optimistischeren Stimmungen,
auch — dem Ausland gegenüber.

Kurz bevor Klinger seinen Schlaganfall hatte — es
war im Herbst 1919 — fuhr ich mit meinem Vetter und
Kompagnon Otto Meder nach Leipzig, um den Messtand
einzurichten. Dabei besuchten wir natürlich den Meister.
Wir erzählten ihm von der Messe und er nahm ein so
reges Interesse an unserer Ausstellung, daß er sie sofort
nach ihrer Eröffnung besuchte. Er empfand eine große
Genugtung darüber, daß er auf der Messe vertreten war.
Manche gute Flasche tranken wir dann gemeinsam auf
sein und unser Wohl.

Max Klinger. Kopf-, Hand- und Fußstudien
Aus Max Lehrs Handzeichnungen neuer Meister im Dresdner Kupferstichkabinett

Amsler und Ruthardt, Berlin (vergriffen)

über Musik, für die er das tiefste Empfinden hatte, über
Literatur und über das, was man kurzweg Schönheit
nennen mag, wobei es an Pikanterien des Gesprächstoffes
oft durchaus nicht fehlte. Nur ganz „unter uns“ — in
seinem Atelier in der Karl Heine-Straße — hat er sich
mit unseren geschäftlichen Plänen beschäftigt: er ließ
sich einfach vortragen, was wir unternehmen wollten und
er ist mit unserm Vorschlag immer einverstanden gewesen.

In den letzten Jahren hat ihn Deutschlands Nieder-
gang stark ergriffen. Er schien so erbittert zu sein,
daß er sich mit dem Gedanken trug, keine Graphiken
mehr verkaufen zu lassen. Aber schließlich wich sein

Zwei Tage nachher kam der Schlaganfall. Klinger
war nämlich auf sein Gut gefahren, um dort die Weih-
nachten verleben zu können. Glücklichlerweise erholte
er sich bald und als er soweit hergestellt war, daß er
nach Leipzig übersiedeln konnte, nahmen wir die erst-
beste Gelegenheit wahr und besuchten ihn. Zu unserer
Freude war er der Alte geblieben. Wir sprachen auch
damals wieder über Kunst. Aber in der Unterhaltung
fiel plötzlich das Wort Dada, und nun wurde Klinger
immer amüsanter. Er holte einen Artikel hervor, worin
mitgeteilt wurde, daß die Dadaisten beschlossen hätten,
bestimmte Ausdrücke zu wählen. Der Künstler wurde

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