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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Augustheft
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Sarre, Friedrich: Die orientalischen Teppiche aus dem ehemaligen Wiener Hofbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0449

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rat L e i s ch i n g und Regierungsrat von Trenk-
wald, zu aufrichtigem Dank verpflichtet sind. Von
letzterem ist ein sorgfältiger und mit Abbildungen ver-
sehener Katalog bearbeitet worden.

Das Hauptinteresse konzentriert sich auf den Jagd-
teppich. Er hat nur zwei ungefähr gleichwertige Ge-
nossen, die sich im Schloß von Stockholm und im Roth-
schildschen Besitz in Paris befinden. Ein Stück größter
Seltenheit und Kostbarkeit, scheint er mit jenem Teppich
indentisch zu sein, den Zar Peter I dem Kaiser Leopold 1
bei einem längeren Aufenthalte am Wiener Hof im Jahre
1698 zum Geschenk machte. Es handelt sich um eins
jener seltenen Prunkstücke, das zur Zeit einer hohen
kulturellen Blüte in der Hofmanufaktur der persischen
Herrscher aus der Dynastie der Safiwiden in der Haupt-
stadt Isfahan etwa um das Jahr 1600 hergestellt worden
ist. Im Orient selbst haben sich derartige Kostbarkeiten
im Wechsel der Zeiten nicht erhalten. Sie sind wohl
überhaupt nur in geringer Zahl gefertigt worden; be-
dingt _doch die Feinheit der
Knüpfung des Jagdteppichs
— es kommen 4000 Knüpf-
ungen auf einen Quadrat-
centimeter —bei einer Länge
von fast 7 m und einer Breite
von etwa 3 m eine Arbeits-
zeit von vielen Jahren.

Künstlerisch muß man diese
Erzeugnisse einer Hofmanu-
faktur ebenso wie die figu-
ralen persischen Brokate
anders als die von den
Nomadenstämmen gefertig-
ten Teppiche bewerten;
sind sie doch nach den Ent-
würfen eines Hofkünstlers,
etwa nach denen des be-
kannten Miniaturmalers Riza
Abbasi, gearbeitet worden
und stehen einer Volks-
kunst unendlich fern. Die
Zeichnung stimmt mit der
der gleichzeitigen persischen
Miniaturen vollkommen
überein. Hier wie dort,
um nur das Wichtigste
hervorzuheben, eine etwas
ungelenke Wiedergabe der
menschlichen Figur im
Gegensatz zu der weit
lebendigeren Zeichnung der
Tiere und Pflanzen, und
dann vor allem der ostasia-
tische Einschlag, der sich
in der Vorliebe für chinesi-
scheFabeltiere und Symbole,
unter diesen das Tschi, das
sogen. Wolkenband, be-
merkbar macht. Die Ab-

bildung 1 gibt einen Ausschnitt von der Schmalseite
des Teppichs mit der Borte, auf der sich wiederholende
Gruppen von geflügelten Genien dargestellt sind, und
einem Teile des Innenmusters mit den jagenden Reitern
und mit einem Eckzwickel wieder, der von einer symme-
trisch komponierten Kampfszene zwischen Drachen und
Phönixvögeln gefüllt ist.

Was die Farben betrifft, so kommen sie bei der
geschickten Aufstellung, die ein Betrachten aus verschie-
dener Entfernung ermöglicht, in ihrem ganzen Reichtum
zur Geltung. Der lachsfarbene Grund des Mittelfeldes
und das Rot der Borte erscheinen wechselnd von der
hellsten zur tiefsten Tönung. Technisch bemerkenswert
und ein Zeichen für die Kostbarkeit der Arbeit ist die
an einzelnen Stellen vorkommende Ersetzung der Seiden-
knüpfung durch eingewirkte Silber- und Goldfäden.

Wir müssen uns vorstellen, daß bei den höfischen
Festen und Zechgelagen, von denen die europäischen
Reisenden der Zeit, ein Chardin oder Tavernier, erzählen

der Schah in der Mitte eines
derartigen Teppichs, an
Goldbrokatkissen gelehnt,
saß; von hier aus allein
kann man die Zeichnung
des Teppichs, die ja vom
Mittelstem aus nach beiden
Seiten symmetrisch das
Innenfeld füllt, richtig be-
trachten. Der Herrscher
ergötzte sich an diesen Dar-
stellungen, wie man sich
in der Antike an einem Fuß-
boden-Mosaik erfreut hat;
stellten sie doch die Jagd,
das königliche Handwerk,
dar, und in der Borte sah
er die Genien abgebildet,
die im Jenseits ein Freuden-
mahl zu verschönen be-
stimmt sind.

Zu den Seiten dieses
nur für den König be-
stimmten Prunkteppichs la-
gen dann für das Gefolge
weniger kostbare, aber mit
jenem im Stil überein-
stimmende Teppiche. Wir
möchten vermuten, daß die
beiden ganz gleichen, 7'/» m
langen wollenen Tier-
teppiche (Kat. Nr. 2
und 3) derartigeSeitenstücke
sind. Dies geht schon
daraus hervor, daß hier eine
Mittelrosette fehlt, und da-
durch der Eindruck von
„Läufern“ hervorgerufen
wird. Die beiden Stücke
mit ihrem rotgrundigen

Abb. 3. Seidener türkischer sogenannter Damaskusteppich.

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