Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0064
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1



Nundscka u.

Dicbtung.

» Scböne Llterntur.

Aus ineinem Z e tt elk a ste n. Sprüche aus dem
Leben für das Leben von Ott o von Leixner. (Berlin,
Verein der Bücherfreunde, Schall und Grund, Mk.
geb. Mk. 5.)

Seit die Stettenheime und Blumenthale von uns
verlangt haben, den Sprüngen ihres Geiftes bücherlang
zuzusehen, ift die Gattung der Epigramme beim anspruchs-
volleren Publikum in Mißkredit gekommen, und ein rvenig
von dieser Abneigung hat fich auch auf die Spruchliteratur
übertragen, obgleich diese in den letzten Jahren einige
gute Früchte gezeitigt hat. Das vorliegende Buch gehört
aber trotz seines Nebentitels eigentlich nicht zur Spruch-
literatur; es enthält der Sprüche nur wenige, in der
Hauptsache aber kurze Aufzeichnungen, die aus dem Be-
dürfnis entsprungen fchcinen, aus auffteigenden Stimm-
ungen und Gedanken einen Niederschlag von Lebensweis-
heit zu gewinnen. Dergleichen „liegt" gerade Otto von
Leixner fo vortrefflich, daß wir trotz aller Achtung vor
Leixners fonftiger Produktion glauben: er hat mit diesem
bescheidenen Bande etwas Wertvolleres gegeben, als mit
irgend einer andcrn seiner selbftschöpferischen Arbeiten.
Jm Gegensatz zu den meisten Spruchsammlungen ist denn
auch hier nichts zu finden von einer Witzjagd, bei welcher
soleichtdieGedankennach allen Richtungen hin auseinander-
flattern, nichts von jenem Feuerwerken mit Blendern
und Steigenlassen von Seifenblasen: die Bemerkungen
sind allesamt ernsthaftem Suchen nach Wahrheit entsprungen
kommen deshalb gut mit einander aus, ergänzen sich, ver-
einigen sich und spiegeln schließlich das Bild der Weltan-
schauung einer vornehmen, gütigen und klugen, zur Ruhe
gereiften Persönlichkeit. A.

Aus der meerumschlungenen lseimat. Ge-
schichten inVersen oon Adolf Bartels. Zweite Auflage.
jWesselburen, Reimar Schulz. Mk. , geb. Mk. U50.)

Jch glaube nicht, daß Bartels auf diese Geschichten
als aus Dichtungen ein großes Gewicht legt: eine Er-
wähnung an dieser Stelle verdient ihrc zweite Auflage
aber schon deshalb, weil sie sür einen deutschen Gau
bieten, ivas wir auch den übrigen sehr aufrichtig wünschen:
die Heimat spiegelnde dichterische Volkskunst. Was
hier von alten und neuen Dithmarscher Geschichten, eigenen
und sremden Erlebnissen und eigenen Träumen zum
Preise der Heimat herzlich erzählt wird, oerdient in jedem
schleswig-holsteinischen tzause gehört und wieder gehört
zu werden. Daß das Buch einen Neudruck erlebt hat,
ehrt die Dithmarschen so sehr wie den Verfasser. A.

Rom. Roman von Emil Zola. Uebersetzt oon A.
Berger. (2 Bände. Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt.
(geb. Mk. 8.)

Der Jmport ausländischer Romane nach Deutschland
ist groß; süße und süßeste, frische, eingemachte und ver-
zuckerte Früchte sind darunter und wieder scharf gesäuerte
Mixed Pickles mit Paprika, — das deutsche Lesepublikum
setzt sich an den Tisch und ißt das alles, alles hinter- und
durcheinander, aber auskommen könnte es wohl auch ohne

das. Daß es aber ohne Bücher wie Zolas „Rom" aus-
käme, wäre nicht zu wünschen; hier ist eine ausländische
Gabe, die wirklich nährt. Es ist ein Werk, das zum
festen Bestande dcr Weltlitteratur so lange gehören
ivird, bis einer seinen Gegenstand besser behandelt — und
das dürfte noch eine gute Weile dauern.

Das „ewige" Rom, die einzige Stadt der Welt, die
in Altertum, Akittelalter, Neuzeit und Gegenwart in hoher
Bedeutung geblieben ist, es ist ein Zentrum von so
vielcn und so mächtigen Anschauungen, Gedanken und
Erinnerungen, wie keine zweite Stelle dcr Welt. Und so
war es eine Riesenaufgabe, das, was für den gebildeten
Menschen das Wort Rom nndeutet, in einem Romane dar-
zustellen. Daß sie Zola als Dichter gelöst habe, dnrf man
auch nicht sagen; als Ganzes genommen ist „Rom"'ein
Schriftstellerwerk, nur da und dort in einzelnen Szenen
tritt der Dichter in den Vordergrund. Aber auch so ist es
eine imponierend bedeutende Schöpfung.

Die ganze Schilderung ist verbundcn mit den römi-
schen Erlebnissen jenes Abbc- Pierre Froment, den wir aus
„Lourdes" kennen; er ist nach der heilkgen Stadt ge-
kommen, um sein christlich-soziales Werk vor dem Jndex
zu retten; zwischen dem Tage seiner Ankunft und dem
seiner Abreise spielt sich alles ab. Da geht es denn an
manchen Stellen nicht ohne Zwang her, und selbst ein
leises Lächeln beschleicht uns wohl, wcnn Pierre zum so
und so oielten Male wie eine Vision vor sich heraussteigen
sieht, — was zu schildern Zola gerade braucht. Es ließe
sich auch sonst zumal hinsichtlich der künstlerischen Dar-
stellung im einzelnen oft etwas einwendcn bei diesem
Werk, das übrigens auch Zolas eigenen naturalistischen
Theorien nicht selten zuwiderhandelt. Aber die Vorzüge
sind so groß, daß derlei wenig in betracht kommt.

Alles in allem genommen, gleicht Zolas Rom einem
großartigen Gruppenbau. Das Rom des Papstes, das
Rom des Königs, das Altertum, die Rcnaissance, die vor-
nehme, die niedere Gesellschast, das Fremdenvolk — wir
wandeln an der Hand eines Führers durch lichte und
düstere tzöfe zwischen alten und neuen Bauten mannigsal-
tigster Art. Hier treffen wir eine recht nüchterne Stelle, aufder
die Wirtschaft dos Alltags hcrrscht, dort einen Winkcl voll
malerischen Farbcnspiels, dort cine Kapellc, die Heiliges
durchschauert. Aber alles steht in Beziehung zu einander,
und wie die Gestalten der Bewohner in Haß und Liebe
auf einander wirken, so bauen die einzelnen Bauten selbst
in Harmonie und Kontrast einen neuen Gesamtbau zusam-
mcn trotz allcm, was von einzelnem sich schlecht fügen ivill.

Selbstverständlich war Zola gezwungen, vielfach an-
derer Leute Forschungen und Beobachtungen zu verwenden.
Aber eigenes hat er doch zu stande gebracht, die Bewäl-
tigung des ungeheuren Materiales zu einheitlichen Ein-
drücken zeugt laut sür seine Kraft. Möglich, daß manche
angesichts der großen Wärme, mit der Zola dic Jdeen
seines Helden Pierre Froment wiedergibt und der ost sehr
rückhaltslosen Schilderung des römischen Priestertums
Tendenz empfinden werden; es ist doch wieder auch Ver-
tretern sehr unmoderner Geistesrichtungen so viel Sym-
pathie zugewendet, daß wenigstens ich den Eindruck par-
teiischen Färbens nirgends bekommen habe. Darin, daß
ein Autor seine eigene Persönlichkeit nicht verleugnet,



— 54 —
 
Annotationen