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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

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Heft 13 (1. Aprilheft 1898)
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Lose Blätter
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0041
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Die Marchesa. Lehnt Euch auf meinen Arm ... ich mill Euch bis
unten an die Treppe geleiten.

Michelangelo. Jch willige in die Ehre .. . Jch nehme den Liebes-
dienst an . .. Mir scheint, heute darf ich ihn wollen. Jch will Euch ein
letztes Wort sagen . ..

Die Marchesa. Und was, mein Freund?

Michelangelo- Euch, die ich so liebe, Euch segne ich ans meines
Herzens Grunde ... Lebt wohl!

(Er küßt der Marchesa die Hand und entfernt sich.)

Vom

Literatur.

* Ibs cn ist zu seinem Jubiläum
jn seinem Vaterlande in einer Weise
geehrt worden, von der wir lieber nicht
sprechen wollen — man könnte uns
sonst sagen, wir gäben der für unser
Deutschland, ach, beschämenden Hin-
weise mehr, als unumgänglich ist. Auch
in Berlin hat man ja den nordischen
Magier gewaltig gefeiert, und dcr sonst
sreilich ehrliche Schönhoff hat jeden-
salls Unrecht, wenn er dabei von „Ge-
schästskomödie" spricht und sagt: „bei
jedem Umschwung in Berlin gewinnt
die Bildungsheuchelei an Bedeutung".
Daß die gesamten obern Zehntausend
bei uns Jbsen, wie seinen künstlerischen
Antipoden Böcklin, plötzlich mit cben-
so viel Glut und Jnnigkeit lieben, wie
sie ihn jüngst noch „vcrrissen" haben —
wer kann's denn ernsthaft bezweifeln!
Auf einem großen Jbsen-Bankett der
Froien Bühne feicrten oder deklamier-
ten ihn ja Elias, Fulda, Brahm, Les-
sing, Emilie Herzog, Emanuel Reicher
und das Ehepaar Lieban-Globig. So-
gar das „Berliner Tageblatt" pries
jhn mit einem Artikel, über dem ge-
schrieben stand: „Vom Theaterdirektor
zum Weltpoet" — „zum Weltpoet",
bitte, nicht: „zum Weltpoeten". Richard
Dehmel aber dichtete:

„Skal, Jbsen, Skal,

Du Meistcr dcs Doppelsinns,

Du Feind der Halbheit!

Jch bringe dir ein Wort dar, das
Dich ganz beleuchtet.

Skal, du vom heiligen Geist — Be-
schatteter!" —

und so ist uns nun bei dieser Gc-
legenheit auch das große Licht über

Tage.

Jbsens tiefstes Wesen an der Spree
angesteckt worden.

* Die Erben Fritz Reuters
bitten „im Jnteresse einer würdigen,
pietätvollen Bearbeitung alle, die bis-
her ungedruckte Briefe, Gedichte oder
sonst Handschriftliches von Fritz Reuter
und seinem Freundeskreis besitzen, des-
gleichen Bilder und Zeichnungen von
ihm oder persönliche Erinnerungen an
ihn bewahren, solche Roliquien nur
ihrem litcrarischen Vertrauensmann
Herrn Proseffor l)r. Karl Theodor
Gaedertz, Königlichem Bibliothekar in
Berlin (tV„ am Karlsbad Z pt.), für
den dritten Band seines biographischen
Sammeliverkes »Aus Fritz Neuters
jungen und alten Tagcn« leihweise
anvertrauen zu wollen."

* Mit demVortragc Schiller-
scher Gedichte hat Possart in
München mächtigen Beifall erreicht.
„Jn einer Zeit, wic der unsrigen",
schrcibt dazu cin dortiges Blatt, „in
der man in Kunst- und Literatur-
fragen fast einem Anarchismus des
Urteils huldigt, in der man alle mög-
lichen Stilarten goutiert und sich doch
für keine daucrnd cntschciden will, in
einer Zeit, in der das Publikum sen-
sationslüstern bis in die kleinste Ner-
venfaser, ist es ein Wagnis, an einem
Vortragsabcnd nur Schillersche Ge-
dichte zu bringcn. Es muß ein großer,
selbstschaffender Künstler sein, ein
Meister des Wortcs, der es vermag,
das Publikum vor dcn großen, reinen
Linien der Schillerschen Poesie zur
Andacht zu zwingen, mit dcn Versen
des Dichters der Jugend jene jubelndc
Bcgeisterung zu erwecken, dic beim
ersten Hören diescr Klänge die Seelc
 
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