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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

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Heft 14 (2- Aprilheft 1898)
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Bartels, Adolf: Ludwig Ferdinand Neubürger
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0051
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Ludvvlg zferdmuud l?)eubürger.

Die meisten Leser des Kunstwarts werden wohl den Namen Ludwig
Ferdinand Neubürger zum ersten Male hören. Es gehört auch nicht zur all^
gemeinen Bildung, ihn zu kennen, und wird schwerlich je dazu gehören. Ncubürgsr
wurde am 28. Sept. z8Zü von jüdischen Eltern zu Düsseldorf geüoren, studierte
in Bonn und Wien Sprachen und Literatur, war lange Jahre Lehrer in
Frankfurt a. M. und starb dort am 28. Oktober i8hü. Jn Franksurt war er
eine sehr bekannte Persönlichkeit, mehrere Stücke oon ihm gingen über die
dortige Bühne, und so werden die jetzt erschiensnen „Äesammelten Werke"
Neubürgers (Dresden, Pierson) denn auch in erster Linis sür die Frankfurter

bestimmt sein. Damit will ich nicht sagen, daß sie nicht auch eine allgemeine

Bedeutung hätten. Jst auch der Satz in dsr Hauptsachs richtig, daß nur daS be-
deutendste dichterische Talent auf cine Sammlung seiner Werke Anspruch
erheben darf, so kann man doch auch die gcsammelten Wsrke kleinerer Dichter
immerhin mit Jnteresse begrüßen. Denn sie gewähren ja doch auch die

Uebersicht üüer eine Gesamtentwicklung, und es ist für den Literatur-

historiker unzweifelhaft sehr wichtig, das Wssen und Wsrden der weniger her-
uorragenden Talente zu beoüachten, da sie die Zeitstrümungen stcherlich
richtiger oder doch deutlicher widerspiegeln, als es die Großen thun, die „ihren
eigenen Weg gehen" und vielfach gegen den Strom kämpfen. Neubürgers
Werke sind nun in der That in dieser Hinsicht bedeutsam. Er ist nach ganz
auS deutscher Bildung erwachsen, was man von dsr nächsten Gencration
seiner Glaubcnsgenossen kaum so uneingeschränkt sagsn kann, — war er doch
in seiner Jugend noch ein begsistsrter Berehrer Jsau Pauls. Dis dramatischen
Entwürfs, die er später ausführte, scheint er sshr langs mit sich herumgetragen
zu haüen, vom Anfange der sechziger Jahre bis in die sisbziger und achtziger
hinein. Und da sehen wir nun, daß er von dsutschen Mustsrn, wie sie etwa
die in den sechziger Jahren maßgebsndsn Stücke GutzkowS und Laubes und
die herkömmliche Jambentragödie boten, allmählich unter den Einfluß der
Franzoson geriet, die Laube in Wien ja schon langs pslegts, nnd die zumal
den Frankfurter Spielplan wohl lünger als ein Jahrzehnt beherrscht haben.
„Eponina" oder „das Gastmahl deS Pontius", das ältests Werk Neubürgers,
doch am spätestcn erschienen, ist noch eine regelrechte Römertragödie, wis sie
ein frühereS Dichtergeschlecht so gsrn schrieü, keineswegS ohns wirksams Szensn
und sprachliche Schönheiten; „Larochs", cin nach Börnss „Roman" ausgeführtes
bürgerliches Trauerspicl aus der napoleonischen Zeit, nähert sich der Weise Äntz-
kows und Lauües, auch Brachvogels, die „Marguise von Pommerape" absr ist
Sardou, Sardous „Fsrnande" in das Zsitalter Ludwigs XV. verlegt. Alle diese
Stückc NsubürgerS sind namentlich sprachlich sehr sorgsältig gearbsitet, aüer es
ist freilich die pointierte Thcatersprache, die wir hrute nicht mehr gut ertragen.
Sein licbcnswürdigstes Werk ist „der klsine Kadi", sine Anskdoto aus Harun
al Raschids Tagen reizvoll behandelnd und uortresflich geeignet für daS Jugend-
theater, das bei uns seit Christian Weises Bemühungen wenig Pflege erfahren
hat. Der zweite Band der Werks enthält dann ineist Persönliches, Briefe,
Tagebuchblätter, Kritikcn; an und für sich nicht von bssonderer Bsdcutung, er-
gibt dicser Band das Bild des Menschen Neubürzsr. Wie gssagt: man brau cht
sich um die „Gesammelten Werke* Neubürgers nicht zu bekümmern, wenn man
es trotzdcm thut, wird man es nicht bereucn. Adolf Bartels.
 
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