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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,2.1899

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Heft 23 (1. Septemberheft 1899)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7958#0393
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schütterung" — das rvird zusammen-
getragen, ohne jede Rücksicht auf innere
Verträglichkeit. JnA. Münzers „Ein
Faustgedanke" wieder tritt alles mög-
liche Gute, nur leider keine wirkliche
Seelentiefe zu Tag. Die nämlich er-
gibt sich noch nicht, wenn man einen
jungen breitstirnigen Gclehrten mit
grünlich schillernden Augen und Toten-
kopf in der Hand und ein nacktes Weib
mit zuchtlosem Blicke zusammenstellt
— die ergäbe sich erst, wenn aus den
grünen Augen des Faustulus wirklich
ein bedeutender Mensch schaute, und
aus den Blicken des Weibes nicht blotz
verderbte Sinnlichkeit, sondern eine
die Welt verzehrende Sinnenglut. Also
auch hier kein eigentliches Leben des
Künstlers im Dargestellton, vielmehr
ein Strcben nach den Effekten des Un-
gewöhnlichen. Noch weniger fast ver-
mögen mich Walthcr Püttners
Bilder zu ergreisen. Da sehen wir
eine hübsche Landschaft mit Friedhof,
die ganz gut anzunehmen wäre, wonn
nicht Püttner mit dem Titel: „Jn
meinem Reiche ist es schattig und kühl"
die Aufmerksamkeit auf den unter einem
Marienbilde seine Sense dengelnden
Tod gelenkt hätte. Denn diesen Tod
umwittert auch nicht ein Hauch dämo-
nischen Wesens; trotz seines Knochen-
gesichts macht er einfach den Eindruck
eines fleißigen Arbeiters. Daß die drei
genannten Künstler im Landschaftlichen
Hübsches leisten und sich überhaupt in
ihren technisch-künstlerischen Bestre-
bungen als geschmackbegabto Leute
darstellen, wcitz ich wohl; auch ent-
wickeln Eichler und Püttncr als Jllu-
stratoren entschieden Humor; aber
das ist wieder eine Sache für sich.
Einen bedeutenden Eindruck macht
Erler als Porträtmaler; mit grotzer
Einfachheit und Gclassenheit weitz
er im Technischen wie im Seelischen
das Wescntliche plastisch heraus-
zustellen. Dabei wirken die Sachen
auch in der Farbenstimmung trotz
des vielen Schwarz in den Schatten
durchaus nicht uninteressant.

Leopold Weber.

(Schluß folgt.)

* Den jungen Künstlern hat
kürzlich ein Franzose Worte gesagt,
durch die man unwillkürlich zu einem
Vergleiche mit denen herausgefordert
wird, welche Anton von Werner in
regelmäßigen Zwischenräumen an die
Berliner Kunstakademiker zu richten
pflcgt. Man messe einmal die Höhe
des Standpunktes hier und dort. Bei

der Preisverteilung im Pariser Salon
sagte der alte I. P. Laurens: „Der
Künstler mutz güti g scin. Güte und
ehrliches Streben sind die beiden
tiefsten Quellen dos Kunstwerks. Die
Werke, welche dauern, sammeln aus
ihnen ihre Hauptkraft. Freilich, eine
anderc Schwester folgt ihnen nach: die
Unruhe, jener ängstigende Schmerz,
der im Künstler wühlt, ohne datz es
ein Mittel gäbe, das sähig würe, ihn
zu stillen. Für den Bestgearteten ist
die Belohnung eine rasche und
kurze Freude. Wenn cr wirklich
Sorge trügt für den kommenden Tag,
was können ihm dann diese vorüber-
gehendcn Genugthuungen sein?
Nichts! Denn ein Mann von dieser
Art begreift, daß das Heute nicht
mehr ist und daß nur das Morgen
zählt. Darum rufe ich den Jungen
zu: Arbeitetl Arbeitet! Arbeitetl Wenn
eure Stunde spät kommt, so müßt ihr
euch drein finden. Wenn sie so spät
kommt, datz ihr sie überhaupt nicht
mehr erlebt, so mögt ihr wenigstens
den Trost behalten, üatz ihr im Laufe
eines Lebens, das ganz dem ehrlichen
Streben gewidmet war, curen Stein
zu einem Gebäude herbeigetragen habt,
das für andere sich erheben wird, das
aber ohne euch vielleicht nicht zu stande
gekommen wäre!" Wir wiederholen:
Laurens sagte das bei einer Preis-
verteilung.

* Jn Sachen des Bücherluxus
machte kürzlich Victor Ottmann sehr
beherzigenswerte Bemerkungen in der
„Zeitschrift für Bücherfreunde". Nach
einem freudigen Bericht über die zu-
nehmende Altersschwäche des berühm-
ten „Prachtwerks", das bald verscheiden
möge, um nie mehr lebendig zu wer-
den, spricht Ottmann davon, daß wir
leider trotzdem Aeußerliches genug in
der Buchindustrie noch immer haben.
Dann fährt er fort:

Auch bei jenen speziell für die Bib-
liophilen bestimmten Büchern macht
sich hüufig ein übertriebener Prunk be-
merkbar, der, wenn auch in seinen Ein-
zelheiten künstlcrisch vielleicht recht be-
deutend, doch nicht mit dem Wcsen
des Buches harmontert. Ungewöhn-
liche und unhandliche Formate, über-
empfindlichcs Papier, allcrlei Mätzchen
in der typographischen Anordnung und
und derglcichen Absonderlichkeiten kenn-
zeichnen diesc Spezies. Die Sucht,
origincll zu sein selbst auf Kostcn des
guten Geschinacks, treibt da oft merk-
würdige Blüten und entspringt jenem

t. Septemberkeft ;8yA

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