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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 9 (1. Februarheft 1900)
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Rundschau
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0379
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den Drachen zu iöten — als einen
neuen heiligen Georg. Nur, datz er
sich nicht auf irdischern Rosse, sondern
auf dem leibhaftigen Reim-Pegasus in
Rudolf Mosses „Berliner Tageblatt"
produziert.

Nein, so schlecht steht die Sache
unserer Alten nicht, daß sie die Herren
anzurufen brauchten. Unparteiisch
zwar, ja, das sind die Werner und
Blumenthal, denn sie haben in der
That weder mit der alten noch mit
der neuen, noch mit irgend einer
andern Kunst zu thun.

* An der Veräuß erlichung
unserer Familienblätter hat
kein Einzelner eine größere Mitschuld,
als die Firma Rich. Vong in Verlin.
Die deutsche Kulturgeschichte wird ihre
„Moderne Kunst" einmal verzeichnen
müssen, aber „mit goldenen Lettern"
wird's nicht geschehen, und wenn die
Firma bei ihren nächsten „Jubiläen"
noch mehr Selbstverherrlichungs-
Waschzettel verschicken sollte, als bei
ihrem vorigen. Die diesjährige Weih-
nachtsnummer möge studieren, wer
uns nicht glauben will. Sie sieht
natürlich höchst einladend aus —
alles von der „Modernen Kunst" ist
glänzend, daß es blendet. Schon das
Umschlagsbild, wie gesällig! Darüber,
daß es auch äußerst nichtssagend ist,
werden sich die meisten erst klar wer-
den, wenn sie das Heft gekauft haben.
Dann das Hauptbild: Eine Ballet-
gruppe bei künstlichem Mondschein —
genannt: „Der Stern von Betlehem",
gemacht von Zmurko. Dann ein bun-
tes Bild von Cucuel (man beachte die
Malernamen!): Elegants vor distin-
guierten Damen „im Weihnachtsbazar".

Nun: „Auf schneeiger Höhe" von Stur-
tevant: eine modischeDame ausSchnee-
schuhen. Weiter: „Weihnachten bei den
Studenten", d. h. Festkneipe in einem
feudalen Korps. Jetzt: „Die Völker
begrüßen das neue Jahr" — damit
man Gelegenheit hat, ein paar weib-
liche Akte zu bringen, ohne das beim
rechten Namen zu nennen, nennt man
die Dämchen „Völker". Dann für die
etwas Anspruchsvolleren ein immerhin
auch sehr schwaches Bild von A. von
Courten, „ein Traum", und eine Durch-
schnittslandschaft von Apol, „Winter-
tag". Für die Backfische ein süßer
Kiesel, für die „Patriotischen" ein
„Weihnachten vor dem Feinde", für
die Tierfreunde ein sogenannt humo-
ristisches Bild mit Möpsen. U. s. w.
Jm Texte nichts auch nur Mittel-
gutes, aber hübsch viel Geschäftsrekla-
men, zumeist für eigne Verlagsware.
Noch einmal: ich empfehle das Heft
zum Studium: es ist sehr beleh-
rend, wie hier alles, aber auch alles
Feinere, Edlere und Tiefere zurückge-
drängt ist zu Gunsten des Seichtesten
und Banalsten, und wie all das Nich-
tige, üas gegeben wird, doch mit
großem Geschicke irgendwie kostümiert
und maskiert ist, damit man's für ein
Etwas halte. Denkt man dessen, was
ein rechtes Weihnachtsheft sein könnte
und sein sollte bei uns im Vaterlande
der Ludwig Richter, Schwind, Thoma
und ihres noch immer lebendigen und
starken Geistes, so wird der Ekel vor
dieser protzenden Schundware beinahe
körperlich. Aber wir alle werden noch
lange, lange zu arbeiten haben, bis
unser betrogenes Volk auch in solchen
Dingen wieder das Wesen zu sehen
vermag.

Ansre Ooten und Wilder.

Unsere Musikbeilage bringt diesmal eine Probe aus Anton Urspruchs
meisterhaftem, feinkomischen Opernwerk „Das Unmöglichste von Allem", worauf
im „Kunstwart" bereits öfters rühmend hingedeutet wurde. Wir entnahmen
dem bei Cranz in Leipzig erschienenen Klavierauszug mit besonderer Erlaubnis

Februarheft ^900
 
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