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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 19 (1. Juliheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0323
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Beckert, Ledebur, Klara von Beringe
und könnten noch mehr nennen. Die
ausländische Malerei zeigt Stich-
proben, nicht mehr und nicht weniger
— wir meinen: der Zufall hat hier
bei der Auswahl eine größere Rolle
spielen müssen, als bei der deutschen
Malerei. Aber die Stichproben sind
reichlich, und das Material, aus dem
sie genommen, war schon unter Aus-
schluß der Nullitäten vorgesichtet. Daß
unsre deutscheMalerei keineeinzige aus-
ländische als schlechtweg ihr überlegen
anzuerkennen braucht, das bestätigt
auch die Dresdner Ausstellung.

Und unsere deutsche Grifselkunst
braucht sich auch nicht zu schämen.
Die Abteilung der graphischen Künste,
die wir ganz besonderem Studium
empfehlen, spiegelt alle wesentlichen
Bestrebungen der Kunstvölker auf
diesem Gebiet und deren gibt es ja
jetzt eine Fülle. Aber wir Deutschen
»haltcn" uns auch hier nicht bloß,
sondern hinsichtlich des geistigcn Fein-
gehaltes „sühren" wir sogar. Zudem
scheint sich in unserer Griffelkunst all-
mählich in der That ein nationaler
Stil herauszubilden.

Die Bildnissammlung, welche
wir einer Anregung Paul Schumanns
verdanken, stellt Altes und Neues,
Deutschesund Fremdes, nebeneinander.
Schon so wie sie ist, bietet sie einen
Beleg dafür, wie viel mehr man er-
reicheu künnte, wenn man systematisch
das Vergleichen pflegte. Sie könnte
aber ein wenig umsangreicher sein.

Schließen wir an diese Bemerkung
noch den Hinweis, daß auch das
Kunstgewerbe in Dresden sehr viel
Lehrreiches zeigt und zwar aus allen
möglichen Gebieten bis zu dem der
modernen Frauenkleidung, so werden
unsere Worte zu einer ersten Orientie-
rung genügen. Was wir sonst noch
zu sagen haben, fügen wir am
besten an gelegentliche Bilderbei-
lagen.

* „Männer wie Cornelius
und Kaulbach".

Auf der letzten sächsischen Landes-
synode kam es wieder einmal zu einer
Pastoren-Debatte über „die" moderne
Kunst. Der Kirchenrat Schmidt-Anna-
berg nahm sie scharf aufs Korn, ent-
wickelte in langer Rede seine Gegner-
schaft gcgen sie, die er höchst verächtlich
behandelte, und brachte es schließlich
zustande, auf Max Klinger das Wort
,oäi pi-okaouiu vulgus et arceo" anzu-
wenden. Aber wir sind im letzten
Jahrzehnt ein Stück weiter gekommen:
nicht weniger als vier Redner crhoben
sich nacheinander aus der Versamm-
lung, um dieser Auffassung der
modernen Kunst entgegenzutreten, und
kein einziger unterstützte Herrn Kirchen-
rat Schmidt. So ward er aus dem
Angriff in die Selbstverteidigung ge-
drängt, und uun äußerte er u- a.,
Cornelius habe sichcrlich nicht ab-
sprechender über die moderne Kunst
gesprochen, „als die Vertreter der
modernen Kunst über Männer wie
Cornelius und Kaulbach sprechen und
absprechend urteilen in der Gegenwart."

„Männer wie Cornelius und Kaul-
bach" — beleuchtet dieses Wort nicht
wie ein Blitz die Lage? Ein Vertreter
der Kirche, der sich zum Urteil über
Kunst berusen glaubt, stellt als un-
gefähr gleichwertige Größen Cornelius
und Kaulbach nebeneinander, Cor-
nelius, den tiefen Geisteskünstler, dem
seine Kunst ein Heiliges war, wenn
irgend einem, und Kaulbach, den
Linienvirtuosen theatralischer Acußer-
lichkeit, der sich bis zu Lüsternheiten
erniedrigte, die nur Häudler mit
„pikanten" Bildern geheim verbreiten
konnten.

Wir erwähnen dieses ganzen Vor-
gangs nur dcshalb, weil er recht
augenscheinlich zeigt, bis in welche
Sackgassen diese Gegenüberstellung
führt, welche die „ältere Richtung"
frischweg als die ernste, die „moderne
Richtung" als die leichtfertige be-

t. Iuliheft tsoi
 
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