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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 20 (2. Juliheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0359
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der eigenen Persönlichkeit doch der Ur-
grund alles Schaffens ist, was wir
über dem Anpreisen der alten Meister
in der Angewandten Kunst schier ver-
gcssen hatten. Wirkt diese Pcrsönlich-
keit gclegentlich bizarr, ja geziert und
überheblich: je nun, die Künstler sind
jung, und selbst Olbrich, der ent-
schieden am meisten Grund zu An-
griffen gebotcn hat - namentlich auf
nichtkünstlerischem Gebiete übrigens
— verrät doch so viele glänzende Ga-
ben, daß er bei zunehmender Selbst-
kritik zu sehr Hervorragendem berufen
erscheint. Daß der absurd sich gebär-
dende Most noch einen Wein geben
wird: das wird bei näherem Eingehen
auf die Ausstattungen derBaulichkeiten
ganz erfreulich klar. Was da nament-
lich an Beleuchtungskörpern, dann an
Stickereien, Möbeln, Oefen, Kaminen,
Gefäßen, Geweben gezeichnet wurde, ist
vielfach ersten Ranges und dabei
durchaus individuell. Weiter abpr ist
doch auch recht häufig glänzend ge-
zeigt, welcher Wirkung cinfache Mo-
tive fähig sind. Jn erster Linie ist die
Ausdrucksfähigkeit von Farbenakkorden
weniger Töne so zur Geltung gekom-
men, daß sie zuweilen selbst das blö-
deste Auge überwältigt; die ästhetische
Note des Werkstoffes ist überall wun-
dervoll herausgeholt; jedem Holz,
Metall, Stein u.s.w. ist wirklich alles
abgewonnen, was das Material an
sich „wirken" kann.

Die künstlerische Befruchtung, die
dadurch auf das Kunsthandwerk ge-
fallen, ist gar nicht hoch genug anzu-
schlagen; die Erziehung der Fabrikan-
ten aus dem Blend- und Pfuscher-
werk zu gediegener Pracht istmit einer
Zielstrebigkcit durchgeführt, wie sie nur
warme Künstlerbegeisterung durch-
halten kann. Und diesc Fcstigkeit kann
den jungen Professoren nicht hoch ge-
nug angerechnet werden; sie zeugt für
ihren Ernst, ihre Ueberzeugtheit. Sind
die vorhanden, darf man über pcr-
sünlichen Geschmack nicht rechten.

Jenseit dessen aber, was die Künst-
ler geleistet, liegt noch ein besonderer
Wert dieser Ausstellung: der Gedanke,
die Werke der verschiedenen Meister
in dauernden, zum wirklichen Be-
wohnen bestimmten Räumen unter-
zubringen, ist vielleicht der fruchtbarste
auf dem ganzen Gebietc des Ausstel-
lungswesens, denn cr zwingt aus dem
Kunterbunt zur Einheitlichkeit, aus der
Allerweltskunst zuletzt doch in einc
individuellste harmonische Kunst. Für
die Erziehung von Künstler und Be-
schauer wird hier Ungemeines geleistet,
und aus dem frohen Erstaunen der
naiven Darmstädter, die bisher mcnig
sür ihre Künstlerkolonie schwärmten,
ließ sich die Wirksamkeit des Gedankens
am besten ermessen. Daß nun die
Häuser selbst doch etwas zu sehr auf
die Ausstellung hin zugeschnitten wur-
den — wie z. B. der klare Christian-
sen selbst zugibt — ist ein beim ersten
Versuch doch recht begreiflicher Fehler,
über den man die vortreffliche Grund-
idee nicht vergessen darf. Mag nun
ein zweiter Versuch folgen,
der uns endlich das bringt, wäs uns
in der modernsten Kunst noch am
meiften fehlt: das wohlfeilere
Bürgerhaus, aus intimer Schönheit
geboren!

Wer wagt diesen Versuch und wer
ermöglicht ihn?

Da kommen wir zu dem letzten und
vielleicht bedeutsamsten Zuge dieser
Ausstellung: sie verdankt ihr Dasein
thatsächlich im wesentlichen dem jungen
Großherzoge von Hessen. Wir haben
von fürstlicher Unterstützung der Kunst
seit den letzten zwanzig Jahren recht
— vorsichtig denken gelernt. Was da
im Gnadenwege gemeißelt, gebaut,
gemalt, gedichtet und vertont wordcn:
es wiegt alles zusammen für die Kunst-
entwickelung unsererZeit—nichts,
als Zeichen unseres Kunstverständ-
nisses aber leider schwer genug. Und
doch kann die Kunst des Mäzenaten-
tums gar nicht entbehren, heut weniger
2. Iuliheft iyo;
 
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