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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 20 (2. Juliheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0358

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womöglich mit dem „Offiziellen
Katalog" in der Hand, diesem Muster
von Unübersichtlichkeit und Aufge-
blasenheit, dessen preziös vorgetragene
Kindlichkeiten mit Recht bereits dem
Spotte der „Jugend" verfallen sind —
der mußte wirklich allc guten Geister
seines Jnnern beschwören, um dem
Uebrigcn noch unbesangen cntgegen-
treten zu können.

Ja, und der Wohlmeinende auch
wird aller A rch it e ktu r auf diesem,
ansich von derNaturganzhervorragend
gesegneten Fleck Erde nur wenig Ge-
schmack abgewinnen können; was gut
ist, ist selten neu, und was neu ist,
ist selten gut. Ueberall trifft man da
auf Härten, Ungereimtes und Un-
gereiftes, das eine zu hohe Selbst-
einschätzung des Künstlers für nicht
verbesserungsbedürftige Genialität
nahm. Aber dann tritt doch endlich
hier und da ein Lichtpunkt, eine
glänzende Einzelheit hervor, z. B. die
schöneEingangsthür bei Peter Behrends,
ein Erker mit geschnitzten Holzfiguren,
zuletzt das ganz wundervolle Portal
des Hauptbaues, dieser Bau selbst,
trotz des beinahe alles verquackelnden
Hauptgesimses mit seiner pimpligen
Ornamentation: hier spricht doch ein
um die Welt unbekümmertes Gefühl
für Größe und ein enlschiedenes
Können.

Und betrachtet man nun erst die
Jnnenräume, so findet man neben
einigem Verfehlten, neben einem guten
Teil Sorglosigkeit — auch in Bezug
auf Sicherheit übrigens: die Treppen
sind fast durchweg viel zu schmal und
leicht verbrennlich — doch so viel des
Gelungenen, ja des Köstlichen, daß
man seinc helle Freude haben kann.
Nicht eigentlich die Architektur, aber
die Angewandte Kunst hat hier Siege
errungen, die von nachhaltiger Wirkung
sein müssen, wenn man sie nur nicht
totschweigt.

Das durch Beschreibung hier
beweisen zu wollen, wäre zwiefache

Uunstwart

Thorheit; aber betonen möchte ich's:
gehet hin und seht es euch an, ob
ich nicht recht gesehen. Nur mein sub-
jektives Ergebnis möchte ich hier ziehen;
aber ich möchte glauben, daß man mir
schließlich recht geben wird, wenn ich
in dieser Ausstellung trotz alledem und
alledcm wirklich cin Dokument deutscher
Kunst erkenne.

Das „Deutsche" tritt dabei nicht
sonderlich in den Vordergrund; eher
zeigt sich im Gegenteil eine Kunst ur-
moderner Jndividualitälen, in denen
das Rassige zurücktritt; und alles Lob
wird darum die entschiedene Ein-
schränkung erfahren müssen, daß die
Anregungen vorwiegend auf dem Ge-
biete ciner Luxuskunst liegen, nicht
einer Volkskunst, dic über das I'art
pour l'art hinweg im Einfachsten noch
Zeugnis von spezifisch deutscher Em-
pfindungsweise ablegte. Uebrigens
ist immerhin anzuerkennen, daß
alle diese Künstler auf Stim-
mung hinarbeiten, nicht auf bloßen
Formalismus; die Stimmung wird
nur zuweilen ins Dskadcnte oder Ma-
niriorte übertricben; vhne dicses mo-
dische Gebahrcn lsiehe Katalog) würde
sonach ein spezifisch deutsches Schaffens-
motiv immerhin mitsprechen. Aber nur
Deutschtümelei kann schlietzlich von
vornherein jede internationalere Kunst
verneinen. Sofern nur bewußte Aus-
länderei streng abgclchnt wird — wie
hier der Fall ist — sollte dem Künst-
ler kcine gebundene Marschroute vor-
geschrieben werden. Wir haben sonach
hier zwar nicht das, aber doch ein
Dokument neuer Kunst, einen neucn
Weg, an dcssen Rande so viel des Er-
frculichen wächst, daß davon schließ-
lich doch der allgemeinen deutschen
Kunstentwickelung Früchte crstehen
werden.

Da ist vor allem der Beweis, daß
man auch ohne — Bibliothck schaffen
kann, der fröhliche Bruch mit der
Ueberliefcrung und das Beispiel für
das große Publikum, daß der Einsatz
 
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