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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 15 (1. Maiheft)
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Weber, Leopold: Neue Bücher von Frauen
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Göhler, Georg: Musikalische Erziehung, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0105

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Stern cntsteht nur, wenn sich im regellosen Durcheinander die Kraft
regt, die das Viele zu einem Ganzen zusammen zu fassen ringt. Da-
her kann ich denn in dem Entschluß, all' seinen Trieben wahllos
nachzuleben, nicht den Gipfelpunkt einer hohen und kühnen Weisheit
sehn, sondern nur die Folge eines Wesensmangels: es fehlt die Fähig-
keit, sich selber zu organisieren, die doch erst den Menschen zum
Menschen macht. Natürlich wird auch hier wieder zur Bekräftigung des
Jrrtums der unglückliche Nietzsche herhalten müssen, obschon gerade er
auf dieses Sichselbsterbauen der Persönlichkeit den größten Wert legt
und nur betont, daß sich jeder Mensch eben aus sich selber, aus seiner
Natur heraus, und nicht nach moralischen Abstraktionen entwickeln sollte.

Leopold Meber-

Musikaliscke Cr;iekur>g. Z.

Das Haus, das wie in aller andern, so auch in der musikalischen
Erziehung helfend und ergänzend der Schule zur Seite zu treten hat,
wird in nicht allzuferner Zukunft hoffentlich durch das Vorhandensein
der staatlich geprüften Musiklehrer wenigstens den schwersten Be-
denken bei der Wahl eines Lehrers überhoben sein. Denn die Lehrer,
die dann die von uns geforderte gründliche pädagogische und musikalische
Seminarbildung haben, werden sicher mit ganz anderem Erfolge bei
der Heranbildung der Laien thätig sein, als die Elemente, die gerade
jetzt die gesuchtesten, weil vornehmsten und teuersten in den Mittelstädten
sind, die Musikdirektoren, die als Zuschuß zu ihrem Gehalt das Honorar
aus Musikstunden einstecken und zu dem Zwecke sogar in Fächern Unter-
richt erteilen, von denen sie (wie beim Sologesang) reinweg nichts
verstehen.

Auf welches Ziel soll aber die musikalische Erziehung der Dilet-
tanten überhaupt hinarbeiten? Haben wir als Jdeal der allgemeinen
musikalischen Volkserziehung die Erziehung zur Selbstthätigkeit hingestellt,
so müssen wir hier sesthalten, daß die Erziehung im Hause eben auch
zur Bethätigung im Hause und fürs Haus anleiten soll. Der Aus-
druck „fürs Haus" hat cinen geringschätzigen Beigeschmack bekommcn,
seit man ihn zur Entschuldigung sür halbe, stümperhafte Leistungen an-
wendet und die Unfähigkeit zu künstlerischem Ernste damit bemäntelt.
So will ich ihn natürlich hier nicht verstanden wissen. Er soll nur alles
ausschließen, was nach Konzert, nach Sich-hören-lassen, nach Publikum
mrd Applaus klingt. Die von mir angestrebte Ausbildung der Dilet-
tanten soll als Ziel haben, jedem höher Gebildeten die persönliche
Ause inand ers e tzu ng mit musikalischen Kunstwerken zu erleichtern,
sie soll also nicht Leistungen fordern, sondern Hilfen geben, nicht zur
Aktivität zwingen, sondern die rechte Passivität einem Kunstwerke gegen-
über erzeugen. Sie soll nicht die große Zahl der Halbkünstler ver-
mehrcn, sondern die viel geringere derer, die Kunst als Kunst genießen
und ihrem ganzen innern Leben einverleiben können, endlich auf die
Höhe bringen, die für dic Fortentwicklung der Kunst notwendig ist.

Jnfolgedessen wird trotz allen Eiferns dagegen der Klavierunter-
richt unbedingt im Mittelpunkt dieser Erziehung bleiben. Denn das
beguemste Mittel, die großen Kunstwerke sich zum wirklichen inneren

s. Maihest ^90s
 
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