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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 16 (2. Maiheft 1901)
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [10]: Brunnen
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0165

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wenigstens ein bischen elegant sein". — Es gibt allerdings anch Brunnen-
anlagen, die reich und prächtig und dabei doch schön sind. Aber die
Brunnen, die heut bei uns angelegt werden, sind weder schön, noch
reich und prächtig, sondern sie sind nur körpergewordene verzierte Reiß-
brettschnörkel- Jch möchte wissen, wo ein Brunnen wie auf Bild 58
die Gegend schändete! Würde er nicht in jedem Park das Entzücken
aller Besucher bilden, wenn sie auch nur einigermaßen empfänglich sind
für Eindrücke des Auges? Aber jedes Denkmal muß wie ein Tafelauf-
satz und jeder Brunnen wie ein Grabdenkmal aussehenl Jn Wahrheit
bedeutet „Anlage" etwas anderes, als irgend etwas zu Haus Er-
sonnenes irgendwohin zu setzen, es bedeutet, aus den gegebenen
Verhältnissen heraus zu gestalten. Auf Nr. 58 sind die Verhält-
nisse gestaltet, auf Nr. 59 ist trotz des anregendsten Terrains etwas
dem Orte vollkommen Heterogenes einfach gedankenlos hingesetzt. Da
wirkt es denn für Unsereines geradezu niederdrückend. Man denke sich
eine dichtumrankte Felswand am Ufer eines stillen Flußes, der eine
Quelle entsprudelt. Mit den einfachsten Mitteln ließe sich da eine an-
mut- und poesieumwobene Stätte bilden, an der zu ruhen ein Entzücken
sein müßte. Aber was thut man? Man bestellt beim Eisenlieferanten
eine „elegante" Halle, bei der die Besteller offenbar mit Neid an die
Trinkhallen in Karlsbad oder Baden-Baden gedacht haben, und baut dann
sein Wellblech an der stillen Stätte auf, um sie für unabsehbare Zeiten
zu schänden.

Es wäre so vieles besser, wenn in den Köpfen nicht immer die
verdrehten Begriffe von „elegant" spukten. Man vergleiche Abb. 60
und 6j. Jn der alten Anlage sprudelt das frische Wasser fröhlich in
ein offenes schlichtes Becken, das von derben Steinen eingefaßt war.
Nur auf einer Seite führt eine bequeme breite Treppe hinunter. Wenn
die Mägde Wasser zu schöpfen gingen, fiel mir immer Ruth am Brunnen
ein. Aber dieser Mangel an Eleganz verdroß die Väter der Stadt.
So konnte der Brunnen doch unmöglich bleiben, man mußte sich ja
schämen, deshalb überdeckte man das offene Becken, bestrich es mit
Zement, und damit kein Selbstmörder seinen Kopf hineinsteckte und sich
drin ersäufte, machte man auch noch hübsch ein Gitter darüber. Und
die häßlichen derben Fugen in dem Mauerwerk überstrich man auch
sauber mit Zement, bis alles blank und glatt war. Ja, und den
lustig plätschernden Abfluß, den „kanalisierte" man. Und dann guckte
man sich an und lächelte wohlgefällig. Schildberg wird Weltstadt. Bei-
nahe alles ist jetzt so schön wie in Berlins Vorstadt.

Jst aber nun mit all dem etwas geschaffen, was wenigstens nur
um ein Haarbreit zweckmäßiger wäre? Nein, nur eine phantasie-
lose, trostlose Oede ist ringsherum entstanden, daß Gott erbarme.

Jch wage es noch zu hoffen: in den meisten Fällen würden die
verschiedenen Stimmungswerte dem Verständnis der Leute gar nicht so
unerreichbar sein. Hier in meinen Bildern würden sie es vielleicht
sehen. Jedoch das unglückselige Vorurteil spukt immer noch, daß malerisch
— unordentlich, allerdings auch — schön sei, aber für die Prosa der Welt
nichts tauge. Daß sowohl „Prosa" wie „Poesie" gleichmäßig weiter
nichts als Ausdruck, wahrhaftiger Ausdruck unserer inneren Verfassung
sind, das ist die grohe Erkenntnis, die unserer Zeit noch Not thut.

Sch ultze - Naumb urg.

2. Maiheft tyoz
 
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