Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1901)
DOI Artikel:
Batka, Richard: Der Herzog Wildfang-Rummel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0063

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Oer I)er;og Wilclfarig-Kurnniel.

Siegfried Wagners neue Oper „Herzog Wildfang" hat bei ihrer
Uraufführung in München zwischen den Anhängern und Gegnern des
jungen Dichterkomponisten zu heftigen Kämpfen geführt, die beinahe in
Thätlichkeiten ausgeartet wären und jedenfalls weitum großes Aufsehen
erregten. Was soll der Fernstehende nun davon denken? Sollte hier
das Publikum, cmpört über das zum Ereignis gcwordene Unzulängliche,
den liebedienerischen Freundesbeifall kräftig zurückgewiesen haben? Jst
hier einmal ein bedeutsam strenges Volksgericht aus unwillkürlichem Antrieb
abgehalten worden? Glaub es, wer mag! Unbefangene Leute nehmen
zum Operngucker nicht auch noch „für alle Fälle" Pfeifchen ins Thcater
mit, und die an auswärtige Blätter versandten hektographierten Tendenz-
üerichte scheinen darauf hinzudeuten, daß die Opposition, von deren
geradezu fanatischem Eifer ich mich schon zur Bärenhäuterzeit persönlich
überzeugen konnte, sogar eine Art Preßbureau eingerichtet hatte. Jn
diesem Punkte mache man uns also nichts weis, sondern gestehe lieber
unumwunden zu, daß es sich um einen verabredeten Schlag gegen den
jungen Wagner handelte, mit dem Zweck, ihn als Opernkomponisten
„unmöglich zu machen".

Zu solcher Absicht fehlt's natürlicherweise nicht an tieferen Beweg-
gründcn. Dein einen schuf cs längst Verdruß, zu sehen, wie der berühmte
Name des Vatcrs jemandem eine sonst recht schwer zu begehende Lauf-
bahn fast mühelos eröffnete. Andere grollen, weil dieser jcmand, statt
sich in ohnmächtigen Versuchen um eine „Fortsetzung" Richard Wagners
zu vcrzehren, unbcirrt seinen eigenen bescheidenen Weg wandelt. Manche
wieder befürchten, man werde in Bayreuth das hohe Geistcserbe des
Vaters und die anspruchslosen Bestrebungen des Sohnes nicht genügend
auseinanderhalten. Nicht wenige sind darüber aufgebracht, daß das
Münchner Hoftheater, wenn es sich schon einmal zu einer Opernneuheit
entschlieht, just eine heraussucht, mit der eine gewisse personale Sensation
verknüpft ist. Auch der durch den Wettbcwerb des Prinzregententheaters
mit dem Festspielhause neu angefachtc Münchncr Lokalpatriotismus, der
jede Niederlage Wahnfrieds als eigcncn Triumph empfindet, spielt mit
hinein. Kurz, es vereinigten sich gerade in München die verschiedcnsten,
teils tristigcn, tcils ehrenwertcn, teils törichten, teils verwerflichen Motive,
um gegen dcn „Herzog Wildfang" von vornherein böses Blnt zu erregen.

Jndes, wie stark auch dicse durch allerhand Zeitungsgerüchte noch
genährte Mißstimmung gewesen ist und wie sehr sie durch eine schlechte
Aufführung (ich selbcr hörte in Leipzig eine gute) befördert wurde: es
wäre eitle Verblendung, damit allein die Münchner Vvrfülle zu erklären.
Die Gegnerschaft hätte — wie seinerzeit nach dem zweiten Akte des
Bärenhäuters — verstummen müssen, wenn ihr das Werk selber nicht
willkommene Anhaltspunkte gebotcn hätte. Auch der übliche Einwand,
man habe die Dichtung und Musik beim ersten Anhören eben nicht ver-
standen, fällt weg bei ciner Volksoper, wo der Spruch Hans Sachsens
gilt: „Dem Volke wollt ihr behagen — Nun dächt ich läg es nah, —
Jhr ließt es selbst auch sagen — Ob das ihm zur Lust geschah."
Gewiß: würd' ihm die Oper so recht „zur Lust geschehen" sein, so hätte
das Volk sür den Künstlcr entschieden bald gegen seine Widersacher Partei
crgriffen.

— 47

2. Axrilheft
 
Annotationen