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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 18 (2. Juniheft 1901)
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [11]: Gartenhäuser und Lauben
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0252

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das poetischere, das untere aber das elegantere. Jch will nun gar nicht
die Frage stellen, warum wir dies gefürchtete „poetisch" im Leben eigent-
lich so geringschätzen und will nicht darauf hinweisen, daß im Laufe
unserer Betrachtungen sich das „poetischere" immer als das zweckmäßigere
herausgestellt hat. Sehe man sich nur einmal die einzelnen Teile an,
aus denen die Bauten sich zusammensetzen. Bei dem untern Bilde ist
die Futtermauer glatt und langweilig wie auf dem Neißbrett. Sie
wirkt wie eine homogene Fläche, der Begriff „Mauer", der von „ge-
mauert" kommt, geht ganz verloren dabei. Ein zweites Stück der
Mauer besteht aus rotem Backstein mit Sandsteineinfassung, einer der
unglücklichsten Farbenzusammenstellungen, welche die Baumeister aufge-
bracht haben. Backstein ist schön und Sandstein ist auch schön. Aber
Genüsse kann man nicht wie Zahlen addieren: Hering mit Schlagsahne
ist nicht gleich der Summe von beiden Genüssen. Sie wirken auf
einander und verkehren sich unter Umständen ins Gegenteil.

Jm oberen Bilde ist eine wirkliche Mauer. Sie ist durchaus nicht
etwa ruinös oder bausällig, sondern die Art der Zusammenstellung und
die Behandlung der Steine ist eine lebendige, sie bezcugt die Herkunft,
sie erzählt vom Mauern, sie bringt uns den Begriff „Mauer" zur An-
schauung. Daß diese lebendige Behandlung des Steins „unelcganter"
sei, vermag Niemand zu beweisen, es sei denn, daß er bewiese, daß
Langeweile „eleganter" sei, als frische Thätigkeit. Jch vermag auch nicht
einzusehen, daß der Reiche seine Mauern für das Auge langweilig zu
machen habe und nur der Unbemittelte aus Mangel zu der „poeti-
scheren", d. h. belebteren Steinbehandlung greifen müßte.

Auf der glatten Mauer vermögen die Schlinggewächse kaum Halt
zu finden, während auf der andern die an sich schon dem Auge ange-
nehmere Mauer sich nun noch aufs lustigste umgrünt.

Man vergleiche dann die beiden Lauben. Auf dem oberen Bilde
ist die Laube gemäß dem Sinne des Gartenstils aus schlichten vier-
eckigen Hölzern errichtet, denn man muß sich bei dem Bau einer Laube
sagen, daß sie sich mit dem Schmucke lebenden Grüns bekleiden wird
und daß dieser Schmuck der einer einfachen Laube gemäße ist, denn sie
ist doch wohl kein Palästchen, sondern eben eine Gartenlaube.

Man blicke dann auf das untere Bild. Die Laube wird hier von
wulstigen Süulen getragen, die zwar im höchsten Grade protzen, aber
doch in gar keinem Verhältnis stehen zu den Mitteln der ganzen Anlage,
nämlich: einem bescheidenen Hause mit Garten. Den Rand des Daches
bedecken eine Anzahl peinlicher Zacken, von denen Niemand sagen kann,
wozu sie dienen und welchem Sinne sie entsprossen sind. Auch hier
wende man endlich wieder das Auge als Gradmesser an und vergleiche
den bloßen Eindruck. Einen, der nach reiflicher Ueberlegung und Be-
trachtung das Bewohnen der unteren Haus- und Gartenanlage vorzöge,
würdcn wir bedauern müssen, denn sein Mangel an ästhctischer Bildung
brächte ihn in den Verdacht sittlicher Minderwertigkeit, die den falschen
Schein mehr als den ehrlichen Ausdruck des Wahrhaftigen liebt.

u l tz e - N a u I» b n r g-


lLunstwart

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