DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1901)
DOI Artikel:Lose Blätter
DOI Artikel:Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0261
Lin Balg.*
Die alte Lrau liat ein hartes Gesicht,
Doch kluge sanfte Augen,
Die wenig mehr beim Pfenniglicht
Und nicht zum Weinen taugen.
Sie war ein Balg . . . Als Findelkind
Verlassner als die Armen,
Bat weder Lerren noch Gesind
Um Futter und Lrbarmen.
Sie griff sest zu und schaffte stramm
NAe ebrbar-ernste Leute,
Daß nie sie Unverdientes nahm,
Lrsreut das Weib noch heute.
5ie zeigt auch jetzt mit Bauernstolz
Lrdarbte Thalerscheine:
„Die sind mein unverbranntes ksolz,
INeine ungetrunknen Uleine . . ."
„Die sind mein ungegessenes Brot,
Auf jedem steht geschrieben:
Lin Alter ohne öchand und Not . . .
Und was mir Gott schuldig gcblicben".
Aus dem Z^klus: „Fünf Treppen h o ch".
Ganz eingerahmt in weichein Llaum
Sind hcute unsre Scheiben,
Ich sche durch die Lücken kaum
Das wirre Flockentrciben.
Dcr Turm hat eine Mütze auf,
Schneeweiß, und Ldelsteine
Umglitzern ihn bis an den Anauf
Im kDintersonnenscheine.
§o guckt er freundlich aus der Fern
In nnser Nest, das warme,
Als freute auch den alten kjerrn
Das Aind in deinem Arme.
* Ein Findling.
kunclsckau
Literutur.
* „Unter Wolken", ein Herbst- und
Ehestandsromnn von Kurt Aram
sBerlin, Fontane.)
Kurt Aram schitdert das ergreifende
Schicksal einer zarten, seinfühligen
Frau, die, tiefunglücklich in ihrer Ehe
mit einem brutalen und kraftvollen
Egoisten, sich dem Freund ihres Man-
nes, einem modernen Dichter zuwen-
det, da sie bei ihm Erwiderung ihres
tiesen Liebesbedürfnisses zu finden
meint. Dieser aber snebenbei ein
2. Iuniheft idv»
-
Die alte Lrau liat ein hartes Gesicht,
Doch kluge sanfte Augen,
Die wenig mehr beim Pfenniglicht
Und nicht zum Weinen taugen.
Sie war ein Balg . . . Als Findelkind
Verlassner als die Armen,
Bat weder Lerren noch Gesind
Um Futter und Lrbarmen.
Sie griff sest zu und schaffte stramm
NAe ebrbar-ernste Leute,
Daß nie sie Unverdientes nahm,
Lrsreut das Weib noch heute.
5ie zeigt auch jetzt mit Bauernstolz
Lrdarbte Thalerscheine:
„Die sind mein unverbranntes ksolz,
INeine ungetrunknen Uleine . . ."
„Die sind mein ungegessenes Brot,
Auf jedem steht geschrieben:
Lin Alter ohne öchand und Not . . .
Und was mir Gott schuldig gcblicben".
Aus dem Z^klus: „Fünf Treppen h o ch".
Ganz eingerahmt in weichein Llaum
Sind hcute unsre Scheiben,
Ich sche durch die Lücken kaum
Das wirre Flockentrciben.
Dcr Turm hat eine Mütze auf,
Schneeweiß, und Ldelsteine
Umglitzern ihn bis an den Anauf
Im kDintersonnenscheine.
§o guckt er freundlich aus der Fern
In nnser Nest, das warme,
Als freute auch den alten kjerrn
Das Aind in deinem Arme.
* Ein Findling.
kunclsckau
Literutur.
* „Unter Wolken", ein Herbst- und
Ehestandsromnn von Kurt Aram
sBerlin, Fontane.)
Kurt Aram schitdert das ergreifende
Schicksal einer zarten, seinfühligen
Frau, die, tiefunglücklich in ihrer Ehe
mit einem brutalen und kraftvollen
Egoisten, sich dem Freund ihres Man-
nes, einem modernen Dichter zuwen-
det, da sie bei ihm Erwiderung ihres
tiesen Liebesbedürfnisses zu finden
meint. Dieser aber snebenbei ein
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