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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1901)
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Weitbrecht, Carl: Der Fluch des ästhetischen Formalismus: (in Sachen "Aesthetik und Kunstwerk")
DOI Artikel:
Rauter, Gustav; Albrecht, J.: Sprechsaal: in Sachen: "Ueber die Wahrheit in der Architektur"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0545

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mus zu befreien, indem man endlich einsteht, daß das Aesthetische als
solches schon ethische und intellektuelle Werte in sich begreift und daß über-
dies die Aesthetik es nicht nur mit der Kunst zu thun hat, sondern mit
allen irgendwie ästhetischen Wirkungen und Vorgängen, die der Mensch
erleben kann. Eben darum ist aber auch die Aesthetik nicht die über-
flüssige Wissenschaft, als die sie denen gilt, die gar nicht wissen, was sie
eigentlich will und treibt- Geht sie auch heute nicht mehr von der Philo-
sophie aus, so müudet sie doch am Ende in die Philosophie, und je tiefer
sie mit ihrer Arbeit gräbt, desto näher rückt sie den letzten und wich-
tigsten Fragen des Menschengeistes — die freilich für den bloßen ästhe-
tischen Formalismus niemals vorhanden sein können.

Larl tveitbrecht.

Sprecksaal.

öln Zscken: „Neber ctie Makrkelt tn cter )Irckltektur"

sind uns u. a. die folgenden beiden Einsendungen zugegangen, die wir
zur Ergänzung von Prof. Henricis Ausführungen im s6. Hefte gern
abdrucken, um auf die von Henrici besprochene so hochwichtige Sache mit
aller möglichcn Entschiedenheit hinzuweisen.

*

Es gibt bekanntlich nicht nur Leute, welche die Kunst für Luxus an-
sehen, sondern auch solche, die Luxus für Kunst halten. Während man
viel von den ersteren spricht, darf man die letzteren auch nicht übersehen.
Denn während jene der Kunst weiter nicht viel schaden können, so sind
diese gefährlicher, da sie nicht einfach ablehnen, sondern sie vielmehr in
salsche Bahnen drängen und gedrängt haben.

Die wahre Kunst hat als eine ihrer Eigenschaften die Einfachheit,
die falsche dagegen die Verschwendung. Oft erweist sich bekanntlich die
Beschränkung der zur Verfügung stehenden Mittel als ein viel besserer
Ansporn zu einer guten Kunstleistung, als der Wunsch, möglichst viel
Geld anzulegen, und den Beschauern zeigen zu können, was man vermag.
„Jn der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,

Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben" —

Dieses Wort gilt auch hier, und hier ganz besonders. Wenn be-
hauptet wirü, daß Kunst notwendig da sich einstellen müsse, wo Neich-
tum ist, so ist dies eine zwar oft gehörte, aber gänzlich falsche Annahmc.
Jm Gegenteil, bei zu vielem Gelde wird mit so manchem anderen Guten
bald auch die Kunst erstickt.

Betrachten wir nur den Unterschied zwischen der Denkmalskunst
nach den Freihcitskriegen, als Rauch seine Werke schuf, und der unserer
Zeit, wo die Denkmäler gleich dutzendweise aufgestellt werden, und wo
jeder kleine Ort unglücklich ist, wenn er nicht wenigstens sein Kaiser-
denkmal oder das irgend eines Landsmannes aufstellen kann.

Welch ein Abstand im Kunstempfinden ferner zwischen dem Schinkel-
schen alten Museum und dem gegenüberstehenden Bauwerk, das sich
Verliner Dom nennt. Jenes einfach in seinen Formen, dieses schwülstig,
überladen mit Verzierungen und Figuren, die von allen Ecken her zu-
sammengeholt sind und jedenfalls nicht im entferntesten andeuten, was
der Bau eigentlich sein soll. Solche Verschwendung verbot sich in ärmeren
Kunstwart
 
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