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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 22 (2. Augustheft 1901)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0438

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Uiid als ihm Alles eiltgegen zieht,

Da sxricht Iohannes ein Stoßgebet:

Dann risch hinein! sein Lrinel sprüht;

Lin Funken über die Finger ihm geht.
voran — da „sieben" schwirren die Lüfte,
„Sieben, sieben, sieben", die Ulüfte,

„In sieben Wochen, Iohann Dewethl"

Der sinkt auf schwellcnden Rascn hin
Und schüttelt gegen den Mond die bsand,
Drei Finger, die bröckeln und stäuben hin,
Zu Asch' und Anöchelchen abgebrannt.

Lr rafft sich auf, er rennt, er schießet,

Und, ach, die Daterklause begrüßet
Lin grauer Ulann, von keinem gekannt,

Der nimmer lächelt, nur dcs Gebets
Mag pflegen drüben im Alosterchor,

Denn „sieben, sieben", flüstert es stets
Und „sieben Wochen" ihm in das Ghr.
Und als die siebente U?oche verronnen,

Da ist er versiegt wie ein dürrer Bronnen,
Gott hebe die arme Seelo empor!

kunctsckau.

Lrtei-Ltur.

* „Jürgen Piepers"', nieder-
deutsches Volksstück von Fritz Stci-
venh agen(Hamburg,AugustHarms).

Jürgen Piepers, der herrische, be-
sitzstolze Bauer, zwingt seine Pflege-
tochter zur Heirat mit dem von ihm
abhängigen Meier Agrim: Johann,
Jürgens Sohn, der das arme Mädchen
heiraten will, soll so von seiner Leiden-
schaft kuriert rverden. Aber Agrim
deckt auf dem Hochzeitsfest in be-
trunkener Wut die Machenschaften des
Alten so ziemlich auf. Nun stellt ihn
Jürgen in derselben Nacht noch, da sie
sich auf dem Hofe Agrims treffen, zur
Rede und wirft ihn, wie sie ins Ge-
räuf mit einander kommen, so un-
glücklich die Treppe hinab, daß er
nach einigen Tagen stirbt. Während
der Alte daraufhin seine Schuld durch
Selbstmord büßt, finden sich Rike und
Johann wieder zusammen-

Als Drama, dessen Grundgesetzen
sich doch auch das Volksstück zu fügen
hat, wenn es was Rechtes scin will,
Aunstwart

halte ich „Jürgen Piepers" für ver-
fehlt; nicht, weil es zuviel äußere
Hnndlung enthielte (Buntheit der Er-
eignisse schadet an sich dem Schauspiel
ja keineswegs), sondern weil die
äußeren Vorgänge so in den Vorder-
grund treten, datz sie nicht mehr nur
das Mittel bildcn, durch das uns
cine Entwicklung von Charakteren vor
Augen geführt wird. Auf die aber
kommt es im Drama an; denn ver-
zichtet der Dichter auf alles unmittel-
bare Schildern und alles subjcktive
Beleuchten sciner Absichten, um seine
Menschen allein reden zu lassen, so
muß ihm doch folgerichtigerweise auch
das Darstellen dieserMenschenseelen
oder Charaktere das sein, worum sich
alles dreht, wenn er anders die volle
Wirkung, die der von ihm gewählten
Gattung möglich ist, erreichen will.

Daß sich Stavenhagen darüber noch
nicht klar ist, geht auch daraus her-
vor, daß er oft die seelische Wirkung
einschneidender Ereignisse (siehe Piepers
 
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