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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 15 (1. Maiheft)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0129

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Sie schüttelt weigernd ihr schönes Haupt
Und weist sie zurück ins Abendrot.

„verdient, erkämpst euch die Pforte zum Tod:
Luer Blondhaar ist nicht von der Zeit bestaubt.
In euren Augen ist noch der 6as;,

Die sunkelnde Gier, der atmende Zorn.

Das ist ein strömender Lebensborn!

Mildlächelnde fübr' ich ins kühlc Gelaß."

kunctsckau.

Literatur.

* DramenvonHerbertEulen-
b e r g.*

Jn der „Anna Walewska". einer
Tragödie in fünf Aufzügen, malt
Herbert Eulenberg mit düster-
brennenden Farben die Zerstörung,
die der unbändige Lebenstrieb des
Grafen Walewski anrichtet, wie sich
seine ungeftüme Vaterliebe in sinn-
liches Verlangen nach der Tochter
verkehrt. Die fieberschwüle und fieber-
frostige Stimmung, die aus den Leiden-
schaften der wilden Charaktere sich er-
zeugt, ist packend wiedergegeben, ebenso
sind die Charaktere selber im großen
und ganzen kräftig zur Anschauung
gebracht. Aber noch versteht's Eulen-
berg nicht, seine Personen richtig reden
zu lassen: der Hauch unmittelbaren
Lebens fehlt ihrer Sprache cbenso wie
der chatakteristisch bewegte Rhythmus
der Leidenschaft; dafür tritt ein an
den Schreibtisch gemahnendes Pathos
des Dichters und eine Shakespere-
nachahmung ein, die grade das, was
Manier am grotzen Manne ist, am
eifrigsten zu erstreben scheint. Da er-
gibt sich denn cine Ueberladenheit und
eine Geschraubtheit der Sprache, die
zum Geistreicheln führt und als Un-
natur abstötzt, obwohl sich dabei eine
gewisse geistige Gcwandtheit geltend
macht. Auch kann Eulenbergs Stück
keine Tragödie grotzen Stils genanm
werden, trotzdem sie einzelne erschüt-

* Erschienen im Verlag von Joh.
Sassenbach, Berlin.

ternde tragische Ausblicke gewährt: der
Graf, dessen Leidenschaft den Gang
des Dramas bewegt, verdirbt nicht
an dem unbändigen Wollen seines
Wesens, sondern daran, daß sein
Wille einen ganz absonderlichen Weg
einschlägt, indem die rein geistige Zärt-
lichkeit der Vaterliebe in ihm zu einem
sinnlichen Liebesverlangen nach der
Tochter wird. Vor einem solchen indi-
viduell gearteten Unglücksfall können
uns aber selbstverständlich nicht die
Erschütterungenüberkommen, wie wenn
wir den Menschen im Kampf mit dem
Geschick seiner Gattung erblicken.

Ebenso steht's im wesentlichen auch
noch um Eulenbergs jüngstes Werk,
seinen „Münchhausen". Vor allem
genügt er auch hier den geistigen An-
forderungen nicht, die wir an einen
Dramatiker großen Schlages stellen
müßten. Ein Münchhausen, der aus
Not und Ruhmsucht sich zum Schwank-
erzähler für die Menge hergibt und
sich die Adern öffnet, weil er, der
phantastische Aufschneider, im Grund
seines Herzens zu rein und wahr ist,
um den Freund mit der Gattin zu
hintergehn, das ist ein ziemlich roman-
tischer Herr und mir wenigstens keine
ganz glaubhafte Persönlichkeit, so viel
Zartes und Tiefes, ja selbst Tragisches
Eulenberg durch ihn zu offenbaren weitz,
wenn er an ihm die schreckliche Ge-
bundenheit des Menschen aufweist, dem
aus denKräften der eignen SeeleWider-
stand und Hemmung des Wesens er-
wächst. Jedenfalls darf man hierbei
I . Maikeft iyoz

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