Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1901)
DOI Artikel:
Bartels, Adolf: Das Durchdringen der Dichter
DOI Artikel:
Göhler, Georg: Enrico Bossi, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0529

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ein Erfolgmann zu sein. heute denkt man darüber anders, praktischer.
Schon der alte Goethe sprach zu Eckermann: „Jenes ungestörte, un-
schuldige, nachwandlerische Schaffen, wodurch allein etwas Großes ge-
deihen kann, ist gar nicht mehr möglich. Unsere jetzigen Talente liegen
alle auf dem Präsentierteller der Oeffentlichkeit. Die täglich an fünfzig
Orten erscheinenden kritischen Blätter und der dadurch im Publikum
bewirkte Klatsch lassen nichts Gesundes aufkommen. Wer sich heutzu-
tage nicht ganz davon zurückhält und sich nicht mit Gewalt isoliert, ist
verloren. Es kommt zwar durch das schlechte, größtenteils negative
ästhetisierende und kritisierende Zeitungswesen eine Art Halbkultur in
die Massen, allein dem hervorbringenden Talent ist es ein böser Nebel,
ein fallendes Licht, das den Baum in seiner Schöpfungskraft zerstört,
vom grünen Schmucke der Blätter bis in das tiefste Mark und die
verborgenste Faser." Das ist hcute alles noch viel schlimmer geworden,
und was das schlimmste ist, unsere Talente können den Zeitungsruhm
und den Erfolg nicht mehr entbehren, sie wollcn auf dem Präsentier-
teller der Oeffentlichkeit liegen. Die Folgen davon sehen wir ja jeden
Tag. Aber doch, trotz Gocthe, glaube ich noch an die Möglichkeit un-
gestörten Schaffens. Ein großes Talent hat auch die Kraft, sich zu
isolieren und auf den momentanen Erfolg zu verzichten. So ist auch
hier zuletzt wieder alles Talentfrage. Adolf Bartels.

6nrico kossi.

(Schlutz.)

Jch bin kein blinder Schwärmer für Bossi und sehe in ihm nicht
etwa „den" Musiker der Zukunft. Durchaus nicht. Er ist keiner von
den Ersten; ja er wird noch sehr viel Gutes schaffen müssen, um dauernd
unter die Zweiten eingereiht werden zu können. Jst er doch bisher
hauptsächlich mit kleinen Werken heroorgetreten, die irgendwelche kunst-
geschichtliche Bedeutung nicht beanspruchen. Aber das ist ja eben das
Schöne: sie beanspruchen sie garnicht, sie wollen nicht mehr sein als sie
sind. Auch diese kleinen Gaben sind beschciden zwar, aber echt. Bossi
hat eine llnmege solcher Kleinigkeiten, Studien, Tageseinfülle, rasch
festgehaltene Stimmungsbildchen gegcben. Sollen wir darüber mit ihm
rechten? Es ist eigentlich erst durch die Wagnerianer Mode geworden, den
großen Künstler nie ohne Kothurn sehen zu wollen. Bach schrieb seinc
Klavier- und Liederbüchlein, Beethoven Bagatellen, Schubert Walzer und
Galopps, Schumann Jugend-Albums, sie alle hielten es nicht für einen
Raub, im Hausrock lieben Freunden angenehme Stunden zu bcreiten.

So auch Bossi. Da er sehr leicht schafft und eine Menge melo-
dische Einfälle hat, so verstreut er die in guten Stunden erwachsenen
freundlichcn Gebilde seiner musikfreudigen Natur mit leichter Hand,
ohne sich um die zu kümmern, die für solche Kleinkunst kein Verständnis
haben. Eine ganze Reihe von Klavierstücken, leichte und schwerere, verdanken
wir dieser seiner Gabe; Unterhaltungsmusik bester Art, im Geiste
Schumanns, meist noch etwas mehr im Volkstümlichen wurzelnd.
Jch schätze einen grohen Teil der hierhcr gehvrigen Stücke sehr hoch ein
und möchte dringend wünschen, daß unseren Dilettanten die Bekannt-
schaft mit ihnen durch ihre Klavierlehrer mehr als bisher vermittelt
würde. Wir brauchen unbedingt auch solche Musik und dürfen heilfroh
Aunstwart
 
Annotationen