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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 17 (1. Juniheft 1901)
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Bartels, Adolf: Schiller, [2]
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Batka, Richard: Die Musikalische "Moderne", [4]: die dramatische Tonkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0203

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Der große wunderliche Mensch hat in der That, zu immer Höherem
fortschreitend, Welt und Leben bezwungen, und selbst sein Antipode
unter den späteren deutschen Dramatikern kann nicht anders als be-
wundernd ausrufen: „Dieser heilige Mann! wann hätte er auch nur
iu einem einzigen Vers das persönliche Leiden seines Lebens berührt!
Jmmer hat das Schicksal geflucht, und immer hat Schiller gesegnet!"

Adolf Bartels.

Vie rnusikaliscke „Wocierne".

2. Die dramatische Tonkunst. sFortsetzung.)

Aber die intime Kammeroper, die an die feineren Sinne sich wen-
det, wird — so gern wir von ihren künstlerischen Leckerbissen naschen
mögen — doch stets nur einen Nebenzweig der dramatischen Musik
bilden können, ebenso wie nach einer andern Seite das philosophierendc
Musikdrama mit seinen langen betrachtenden Gesängen und Symbolismen.
Auch diese Gattung hebt Seidl, wie ich bemerke, gar nicht als solche
hervor und doch ist sie eine sehr interessante und spezifisch moderne Er-
scheinung, mag der Hang zu breiten Reflexionen im Drama auch sehr
weit, bis auf die Tage des Aischylos und Sophokles zurückgehen.
Schiller, der begeisterte Bewunderer Altgriechenlands, versuchte es seiner-
zeit, den tendenziösen und musikalischen Gehalt des hellenischen Chors in
das historische Schauspiel hinüber zu retten, indem er ihn — in seinen
Dialog oerlegte. Daher die maximenreiche, nicht so sehr durch Anschau-
lichkeit als durch musikalische, klangliche und rhythmische Elemente wir-
kende Sprache, die seit ihm im Jambendrama üblich ward und allge-
mach in hohle Kraftrednerei ausartete. Die moderne Entwickelung hat
sie mittlerweile zu Gunsten einer realistischeren Ausdrucksweise aus dem
gesprochenen Schauspiel wieder hinausgedrängt, dafür nahmcn die aus-
führlichen Betrachtungen jetzt ihre Zuflucht — zur Oper. Seit dem
zweiten Akt des Tristan, der Walküre, des Parsifal gehören ausführliche,
hochtönende Gespräche ttber metaphysischc und cthische Probleme, dencn
die Musik die tiefere Resonanz verleihen soll, zu den Hauptmerkmalen
einer ganzen Klasse von mystericnartigen Tondramen, worin sich ihre
geistigen Urheber mit Gott und Welt und den vier letzten Dingen auf
ihre Weise auseinandersetzeu. Die Stoffe sind teils religiösen Charakters
wie in Weingartners „Genesius" und der erst im Entwurf veröffentlichten
weitläufigen „Erlösung"; teils kosmischer Natur wie in Adalbert von
Goldschmidts „Gäa", teils subjektiv-sittlicher Art wie im „Guntram"
von Richard Strauß. Und weil die Dichterkomponisten (das sind sie
zumeist) sehr bald crfahren, daß unsere Theater, die von vornherein
eben keine moralischen, sondern Vergnügungs-Anstalten sind, solche Werke
vielleicht ausnahmsweise einmal aufführen, aber nicht als dauernden
Besitz halten können, so ergeht aus diesen Kreisen immer wieder der
Ruf nach eigenen Festspielhäusern ü lu Bayreuth. Wenn schließlich ein
spekulativer Kopf irgendwo ein Reichs-Universal-Festspielhaus errichtetc,
das an die Komponisten für bestimmte Zeit vermietet würde, ich hätte
nichts dagegen einzuwenden. Nur müßte das alles fein Privatsache der
betreffenden Künstler und ihrer Gönner und Anhänger bleiben, man
dürfte diese Aufführungen nicht gleich als nationale Angelegenheit aus-

Iunitzeft ,901

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