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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 21 (1. Augustheft 1901)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0397

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als sie vorher waren. Sie sallen und vergehen, ihr Fall aber ist das Leben
der Gräser und Blätter, der Fischlein und der Libellen, der Bäche und
Strvrne.

Was ist eine Welle? Jst sie etwas für sich? Weiß sie etwas von
ihrem Schwellen und Heben, von der Pracht ihrer Fülle, dem Schaum ihrer
Reife, dem Leid ihres Zerfließens, dem Wehruf, den sie anstimmt, wenn der
Sand am Ufcr ihre letzten dünnen Ausläufer in sich hineinzieht? Kaum ge-
boren ist sie gewesen. Wozu war sie eigentlich da? Aüch sie war ein Ton
im großen Konzert, das aus Gottes Geist in den unendlichen Raum hinein-
gedichtet wird. Sie war nicht um ihretwillen, sondern um seinetwillen. Alle
Dinge sind von ihm, durch ihn und zu ihm geschaffen.

Und sclbst die Sonne hat nicht immer das gleiche glühende Leben. Die
Kenner der Körper im Weltraum sagen es uns, wie auch sie in Zeiträumen,
die unser Denken übersteigen, geworden ist. Jn ihrem Leben bedeutet der
kleine Wechsel, den wir Aufgang und Niedergang nennen, nur wenig, aber
auch sie hatte einen Aufgang, wo sie aus Nebeln zum Lichte kam. Von diesem
in den Urtagen des Weltalls liegenden Aufgang bis hin zu ihrem in die
Ewigkeit hineinragenden Niedergang ist sie ein Stück dcs unendlichen Lebens,
das aus Gott kommt, ein Geschöpf seiner Macht, ihm zur Ehre geworden.
Jhr Dasein ist ein Teil des Ruhmes, den er sich aufbaut, sie thut nichts
anderes, als was Bäche und Wolken, Wellen und Winde, Geschlechter von
Tieren, Völker und Familien, was auch wir thun sollen und wollen, sie ver-
wirklicht sichtbar, in Raum und Zeit den lebendigen Geist, der tausendfache
Gestalten rust, um ein Kunstwerk zu schaffen aus Werden und Vergehen, sie
lobt vom Aufgang bis zum Niedergang den Namen des Herrn.

lAus »Gotteshilfe".)

Ruriäsckau.

Oicktung.

* Mit Joh anna Sppri ist unsre
beste Jugenddichterin dahingegangen.
Sie war in Manchem „altmodisch", in
anderm vielleicht auch wirklich ein
wenig altmodisch, das Wort ohne An-
sührungszeichen gebraucht, aber sie war
eine Dichterin, und keine Streit-
frage weder der Mode noch der Mo-
derne sollte uns hmdern, das mit
Dank und Freude anzuerkennen. Wie
vielen hat sie die Freude und damit
die Kraft gestärkt, ohnc je ein un-
edles, ohne auch nur je ein unvor-
nehmes Mittel dabci zu wählen, wie
weit weg ist sie von all diesem „Sen-
sationellen" geblieben, das sich auch
bei Erscheinungen, die unsern heutigen
Grundsätzen mehr entsprechen, einzu-
schleichen sucht! Jhre Lebensbilder
erscheinen uns, das bestreiten wir

1 nicht, inS Freundliche gefärbt, und
wenn das auch nur der Aussluß der
Thatsache war, daß diese Dichterin für
Kinder selbst ein kindliches Gemüt
! hatte, so werden wir doch streben,
hierin über sie hinauszukommen. Aber
auch die ernsteste Reform der Jugend-
literatur wird die besten der Spyrischen
Schriften hochhalten, sie wird nur
danach streben müssen, ihre Wirkung
durch anders geartete zu ergänzen.

Literatur.

* ,Assessor Karlchen"' von
L u d w i g T h o m a (München, Langen).

Unter diesem Titel veröffentlicht
der bekannte Mitarbeiter des „Sim-
plizissimus" eine Sammlung seiner
dort erschienenen Skizzen. Es sind
zumeist Schnurrcn, aber diesen Schnur-
ren fehlt nicht ein stärkerer, üsthetischer
t- Augustheft tyoi
 
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