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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 13 (1. Aprilheft 1901)
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Batka, Richard: Die Musikalische "Moderne", [3]: die dramatische Tonkunst
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Göhler, Georg: Musikalische Erziehung, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0024

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Das moderne Problem geht nun dahin, den Stil des Mozart'schen
„Figaro" mit den modernen Ausdrucksmitteln zu verschmelzen. Das
auf diesem Weg gefundcne musikalische Lustspiel ist aber im Grunde
verschieden von der alten, sogenannten „komischen Oper", die eigentlich
meist auf eine musikalische Posse mit groben Wirkungen hinausläuft. Jn
der komischen Oper will man lachen; es gilt also, recht dick aufzu-
tragen, krüftige Schlager, alles grade heraus. Das musikalische Lust-
spiel muß mit feinem Pinsel gemalt sein, einer zart kolorierten Feder-
zeichnung gleichen. Es muß seine Spitzen so fein wie Nadeln schleifen,
es ist der Tummelplatz der halbausgesprochenen, halbzuerratenden Ge-
danken, der schelmischen Seitenblicke, der heimlichen ^eberden, des leicht
tändelnden anmutigen Dialogs. An eine solche Kunst waren wir
Deutschen trotz dem „Figaro" nicht gewöhnt. Dcutsch sprechen hieß
deutlich sprechen. Das Verstehen von Andeutungen und Diskretionen
lernen wir erst nach und nach. Als solche moderne musikalische Lustspiele
sind vor allem Urspruchs „Unmöglichstes von Allem" und die „Abreise"
von Eugen d'Albcrt zu nennen, doch indem unsere Komponisten sich
auf das seine musikalische Lustspiel warfen und damit schlagend die Ver-
leumdung widerlegten, als zielten die Absichten der Moderne bloß auf
eine Vermassigung und Vergröberung der Effekte — mnchten sie eine
mcrkwürdige Erfahrung. Gerade das Beste, das Feinste ihrer Absichten
ging in unsern Opernhäusern verloren. Diese Hüuser waren mit Nück-
sicht auf den Gewinn, aber auch mit Nücksicht auf den rauschenden
Charakter der neueren Musik gebaut wordcn, und nun zeigte sich mit
einem Male die Kehrseite der Münze. Die großen Opernhäuser ver-
eitelten jede intime Wirkung. Was der Künstler geflüstert haben wollte,
mußte der Sänger schreien, um überhaupt verstanden zu werden, was
der Künstler geblinzelt und gezwinkert haben wollte, mußte der Dar-
steller zur drastischen Pose vergröbern. Aus solchen Erfahrungen crwuchs
eine ncue Aufgabe: neben den riesigen Opernhäusern für kleinere, sreund-
lichere Rüumc zu sorgen, und die schönen Ergebnisse dcr Mozartanf-
führungen im Münchner Residenztheater leisteten dieser Forderung Vor-
schubdicnste. Jst das Prinzip einmal durchgedrungen und an de» Haupt-
stätten des Kunstlebens vcrwirklicht, dann wird auch das große Publikum
vicl leichter imstande sein, eine ganze Reihe von künstlerischen Absichten,
die jetzt bei der Aufführung, auch bei der bestcn, verloren gehen, erst
gewahr zu merden und zu gcnicßen. Richard Batka.

Musikaliscke 6r;iekung. 4.

Die ideale Forderung, die ohne Ueberspanntheit zwar, aber auch
ohne dekadente Müdigkeit, an die Zukunft der musikalischen Laien-Er-
zichnng zu stellen sein wird, liegt für mich in den Begriffen: „Allge-
meine Volkserziehung" und „Erziehung zur Selbstthätigkeit"
beschlossen. Mit dem Verlangen nach einer künstlerischen Bildung allcr
Volksschichten ist einer starken Strömung im Geistesleben unserer Tage
der Krieg erklärt, die nur für die „Höhenmenschen" Zeit und Jnteresse
hat. Auch die Entwicklung der Kunst ist in dieses Fahrwasscr gekommen.
dloch strömt's darin ganz frisch; noch ist man ja erst c:ne kleine Strecke
von den Quellen weg. Aber das Endc ist der Sumpf.

Runstwart
 
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