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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

DOI Heft:
Heft 10 (2. Februarheft 1903)
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B: Lex Parsifal?
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Steinhausen, Heinrich: Paul Gerhard und sein Denkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0702
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bleiben, wer würde nicht sofort unwillig widersprechen? Jm Falle des
„Parsifal" liegen die Dinge anders; er ist ein Ausnahrnefall, auch
unsrer Ueberzeugung nach: j a. Aber so sicher es andere als Geldsorgen
sind, welche die Bündler und Wagners Familie jetzt bewegen, so sicher
würde die Geschüstemacherei die einmal geschaffene Bresche der Gesetz-
gebung sür sich zu erweitern suchen. Und wir leben im Zeitalter der
Jnteressenpolitik: kämen nach Erlaß eines Parsifal-Schutzgesetzes gruppen-
weis Verleger zu Regierung und Reichstag um Schutz ihrer Jnteressen,
so ist es, wie heut die Dinge liegen, unzweiselhaft, daß man diese
ziffermäßig nachweisbaren Jnteressen „an maßgebender Stelle" als
mindestens ebenso gewichtig anerkennen würde, als jene geistigen Un-
wägbarkeiten. Wie viel Schaden die Freigabe des „Parsisal" mit sich
brächte, dieser Schaden wäre größer. Gott bewahr uns davor, daß
die Monopolisierung geistiger Güter zu Geschüstszwecken abermals er-
weitert würde! Jetzt, wo die Einsicht endlich zu dämmern beginnt, daß
zur Regelung der Verpslichtungen einer Nation gegen ihre geistigen Er-
nährer das Urheberrecht allein kein taugliches Mittel ist.

Aber warum reden wir von so sernliegenden Dingen? Wo ist denn
die deutsche Reichstagsmehrheit, die ein Ausnahmegesetz zugunsten des
„Parsisal" bewilligen würde? Jn einem Reichstage, wo das Zentrum
den Ausschlag gibt! Und wenn sie sich durch ein Wunder zusammen-
sände, wie erhielte man sie, vom Freibeutegebiet der Niederlande ganz
abzusehen, in Oesterreich, in der Schweiz? Oder soll der „Parsisal" nur
in Deutschland beschränkt bleiben? Und in Oesterreich erlaubt sein?

Der romantische Traum des großen Jdealisten, der Nation aus
die Dauer ein Kunstwerk zu hinterlassen, zu dem sie aus allen Gauen
hinpilgere, einmal muß er zu Ende gehn. Freuen wir uns der einzig-
artigen Einrichtung, die der „Parsisal" in Bayreuth bedeutet, so lange wir
sie haben, ziehen wir hin und trüumen wir dort unter seiner Weihe.
Aber auch der „Parsisal" in Bayreuth, auch diese Erscheinung ist nur ein
Teil im Kunst-, im Kulturleben überhaupt. Sühen wir eine Möglichkeit,
ihm ein Sonderleben außerhalb aber ohne Gesährdung dieses großen
Ganzen zu erwirken, wir arbeiteten mit aller Krast dasür. Aber diese
Möglichkeit sehen wir leider nicht. B.

Kaul Genkarcl unck sem Denllrnal.

Also auch Paul Gerhard soll sein Denkmal haben. Unsre Fürsten,
Helden und Staatsmänner, unsre Denker, Dichter und Künstler haben
das ihre, viele mehrmals, vielmals, und wenn wir mit ihnen „durch"
sind: wie sollte sich nicht auch Paul Gerhard empsehlen, dessen Name
und Lied in Kreise gedrungen ist, die auch von unsern Klassikern trotz
der s0 Pfennig-Ausgaben nichts wissen?

* Es trifft sich gut, daß dieser Beitrag gerade in unserrn Wagnerhefte
erscheinen kann. Man vergleiche damit Göhlers Rundschauaussatz über ein
Wagnerdenkmal in Leipzig. Der Weg von Steinhausens zu Göhlers Vorschlag
zeigt gerade bei der Verwandtschaft der Anlässe so recht, welche Fülle von Mög-
lichkeiten und welche Bereicherung an quellendem geistigen Leben wir gewinnen
könnten, wenn wir Denkmäler nicht bloß als Standbilder aussührten.

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Runstwart
 
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