der Natur zusammengehen und ganz
ungesucht selbst zu malerischen Moti-
ven werden, wie ein Gitter kaum
je. Wissen, wie sie den Blüten-
und Blattpflanzen auch ohne dies
zu Hintergründen, zu Folien werden.
Und gerade der höhenumgrenzten
Flußebene der Niederlößnitz gibt
nichts so sehr den reizvoll bestimm-
ten Charakter einer sinnvoll kulti-
vierten, traulich bebauten Landschaft,
wie eben diese anheimelnden Wein-
bergs- und Gartenmauern. Tut
nichts, sie werden zu Tode verordnet!
Aus diesen und anderen Fällen,
von denen später zu reden sein wird,
ergibt sich als Hauptsache immer die
Forderung einer wohlüberlegten An-
passung der Vorschriften an die
besonderen Verhältnisse. Nicht nur
Großstadt und Kleinstadt, Verkehrs-
straße oder Wohnstraße, Stadt und
Land, Ebene oder Bergland, nein,
auch Volksart und Alter und Höhe
der Kultur, Erwerbsweise und Bevöl-
kerungsdichtigkeit, Schönheitswert der
Natur und der alten Architekturen
machen überall tiefgehende Unter-
schiede. Wer sie nicht beachtet, för-
dert eine Gleichmacherei, die ein
Verarmen, ein Veröden bedeutet.
Larl Meißner
MMenzels Vaterunser
Jm Jahre s8S7 veröfsentlichte
Menzel eine lithographierte Darstel-
lung des Vaterunsers, eine siguren-
und beziehungsreiche Komposition in
Herzform, die von einem kreuzför-
migen Aufbau getragen wird. Jn
der Studie zu diesem Blatte, die
jetzt Julius Kurth (Berlin, R. Wag-
ner) veröffentlicht hat, wird zum
ersten Male ein Brief Menzels über
den Sinn der Zeichnung mitgeteilt.
Er nennt fie einen Versuch: „den
bis jetzt nur von der positiven Seite
aufgefaßten Gegenstand zugleich von
der negativen zu behandeln." Brief
und Bild sind in getreuer Nachbil-
dung der Schrift beigegeben.
D> S ch i l l e r - K u r i o s a
— oder erscheinen bei näherem
Hinsehen nicht schon die überzeu-
gungstreuen Versuche kurios, Schil-
lern zu Parteizwecken rot oder schwarz
oder sonstwie anzustreichen? Die
ewgen Rechte, die „droben hangen
unveräußerlich und unzerbrechlich wie
die Sterne selbst" — welches Schiller-
wort könnte die Ueberzeugung der
Sozialdemokratie anschaulicher bekräf-
tigen? Fehlgeschossen! ruft man zur
Rechten. Das Rütliwort Stauffachers
bekomme doch erst die rechte Beleuch-
tnng durch Attinghausens „Ans Vater-
land, ans teure, schließ dich an", und
durch des Dnnois „Nichtswürdig ist
die Nation, die nicht ihr alles freudig
setzt an ihre Ehre". Ein Dritter erhebt
sich und verkündigt den Aristokraten
Schiller. Mehrheit? „Mehrheit ist
der Unsinn!" Ein Vierter liest be-
friedigt in der „Jungfrau": „Und
Hochmut ists, wodurch die Engel
fielen, woran der Höllengeist den
Menschen faßt." Diesen Satz und
ähnliche unterstreicht und sperrt er
in einer Schillerausgabe fürs katho-
lische Volk. Ein anderer geistlicher
Herr entschuldigt die Aufsässigkeit
des Pfaffen Rösselmann vor der
Stange mit dem Hut: „Das höchst
unwürdige Verhalten, welches dem
Pfarrer hier von Schiller zugeschrieben
wird, läßt sich vielleicht auf Frieß-
hardts boshafte Phantasie zurück-
führen; s o n st muß es tzem Dichter
zur Last gelegt werden." Auch die
Frauenrechtlerinnen stellen sich ein,
um Schillern als Verherrlicher der
politischen Frau zu feiern. „Jn der
Mehrzahl seiner Dramen finden wir
eine, wenn nicht mehrere Frauen,
die mit großem Verständnis und
intensiver Anteilnahme die Gesichts-
punkte der Allgemeinheit vertreten,
eine wirkende, leitende, anfeuernde
Rolle im Geschick ihrer Zeit dar-
stellen." Schon vor Jahren aber hat
ein deutscher Gelehrter den Dichter
s. Maiheft V05 §85
niisäkres
ungesucht selbst zu malerischen Moti-
ven werden, wie ein Gitter kaum
je. Wissen, wie sie den Blüten-
und Blattpflanzen auch ohne dies
zu Hintergründen, zu Folien werden.
Und gerade der höhenumgrenzten
Flußebene der Niederlößnitz gibt
nichts so sehr den reizvoll bestimm-
ten Charakter einer sinnvoll kulti-
vierten, traulich bebauten Landschaft,
wie eben diese anheimelnden Wein-
bergs- und Gartenmauern. Tut
nichts, sie werden zu Tode verordnet!
Aus diesen und anderen Fällen,
von denen später zu reden sein wird,
ergibt sich als Hauptsache immer die
Forderung einer wohlüberlegten An-
passung der Vorschriften an die
besonderen Verhältnisse. Nicht nur
Großstadt und Kleinstadt, Verkehrs-
straße oder Wohnstraße, Stadt und
Land, Ebene oder Bergland, nein,
auch Volksart und Alter und Höhe
der Kultur, Erwerbsweise und Bevöl-
kerungsdichtigkeit, Schönheitswert der
Natur und der alten Architekturen
machen überall tiefgehende Unter-
schiede. Wer sie nicht beachtet, för-
dert eine Gleichmacherei, die ein
Verarmen, ein Veröden bedeutet.
Larl Meißner
MMenzels Vaterunser
Jm Jahre s8S7 veröfsentlichte
Menzel eine lithographierte Darstel-
lung des Vaterunsers, eine siguren-
und beziehungsreiche Komposition in
Herzform, die von einem kreuzför-
migen Aufbau getragen wird. Jn
der Studie zu diesem Blatte, die
jetzt Julius Kurth (Berlin, R. Wag-
ner) veröffentlicht hat, wird zum
ersten Male ein Brief Menzels über
den Sinn der Zeichnung mitgeteilt.
Er nennt fie einen Versuch: „den
bis jetzt nur von der positiven Seite
aufgefaßten Gegenstand zugleich von
der negativen zu behandeln." Brief
und Bild sind in getreuer Nachbil-
dung der Schrift beigegeben.
D> S ch i l l e r - K u r i o s a
— oder erscheinen bei näherem
Hinsehen nicht schon die überzeu-
gungstreuen Versuche kurios, Schil-
lern zu Parteizwecken rot oder schwarz
oder sonstwie anzustreichen? Die
ewgen Rechte, die „droben hangen
unveräußerlich und unzerbrechlich wie
die Sterne selbst" — welches Schiller-
wort könnte die Ueberzeugung der
Sozialdemokratie anschaulicher bekräf-
tigen? Fehlgeschossen! ruft man zur
Rechten. Das Rütliwort Stauffachers
bekomme doch erst die rechte Beleuch-
tnng durch Attinghausens „Ans Vater-
land, ans teure, schließ dich an", und
durch des Dnnois „Nichtswürdig ist
die Nation, die nicht ihr alles freudig
setzt an ihre Ehre". Ein Dritter erhebt
sich und verkündigt den Aristokraten
Schiller. Mehrheit? „Mehrheit ist
der Unsinn!" Ein Vierter liest be-
friedigt in der „Jungfrau": „Und
Hochmut ists, wodurch die Engel
fielen, woran der Höllengeist den
Menschen faßt." Diesen Satz und
ähnliche unterstreicht und sperrt er
in einer Schillerausgabe fürs katho-
lische Volk. Ein anderer geistlicher
Herr entschuldigt die Aufsässigkeit
des Pfaffen Rösselmann vor der
Stange mit dem Hut: „Das höchst
unwürdige Verhalten, welches dem
Pfarrer hier von Schiller zugeschrieben
wird, läßt sich vielleicht auf Frieß-
hardts boshafte Phantasie zurück-
führen; s o n st muß es tzem Dichter
zur Last gelegt werden." Auch die
Frauenrechtlerinnen stellen sich ein,
um Schillern als Verherrlicher der
politischen Frau zu feiern. „Jn der
Mehrzahl seiner Dramen finden wir
eine, wenn nicht mehrere Frauen,
die mit großem Verständnis und
intensiver Anteilnahme die Gesichts-
punkte der Allgemeinheit vertreten,
eine wirkende, leitende, anfeuernde
Rolle im Geschick ihrer Zeit dar-
stellen." Schon vor Jahren aber hat
ein deutscher Gelehrter den Dichter
s. Maiheft V05 §85
niisäkres