hat. Sein Sohn, ein Nennzehn-
jähriger, ist von den Verschwörern
bestimmt, das Attentat auszufüh-
ren, und die Freudigkeit, mit der
er trotz ersten jungen Liebesglückes
dazu bereit, enthüllt dem Vater
seine eigne Feigheit und unnütze
Erbärmlichkeit im grellsten Lichte.
Doch mit der Erkenntnis dämmert
zugleich der Entschluß zur Sühne
in ihm auf. Was der Iunge
tun wollte, tut der Alte, nun wie-
der einig mit der Iugend, deren
Ideale einst die seinen waren, ehe
das bittere Leben sie ihm hinter-
listig entwand . . . Ein Stück
voller wirkungsicherer Theatralik, die
am Ende leider allein triumphiert;
aber ein Stück auch reich an dich-
terischen Feinheiten, wie sie aus der
Stimmung eines Landes wachsen,
das seelische Intimität mit gesun-
der Lebenstreue und wirklichkeits-
froher Kleinmalerei zu versöhnen
gelernt hat.
„Streber", Schauspiel von
Anton Ohorn, im Friedrich-
Wilhelmstädtischen Theater. Ein
weltlicher Bruder des „Abts von
St. Bernhard". Sich selbst getreu
bis in den Tod, fällt der Vater,
ein pflichttreuer, gewissenhafter Be-
amter, als Opfer seiner Kinder,
des Sohns nnd des Schwiegersohns,
die beide sich als ausgemachte Stre-
ber entpuppen, der einc nach oben,
der andre — um des Kontrastes
und der lieben Gerechtigkcit wil-
len — nach unten. Ein Stück,
so recht nm die Faust zu ballen
und mit den Zähnen zu knirschen.
Ein Mnsterbeispiel derer „aus dem
Durchschnitt". Friedrich Düsel
Weimarer Theater
as Hoftheater in Weimar hat
sich das Verdienst erworben,
als erstes eine Tragödie von Paul
Ernst auf die Bühne zu bringen.
Seit mehreren Iahren fordert
Ernst — und nicht er allein —
eine neue dramatische Kunst, die
von allem heute Ablichen und
Geltenden sich bewußt fernhält, um
statt dessen die Aberlieferung der
großen Tragiker von der Antike
bis zu Hebbel aufznnehmen und
fortzubilden. Ernst verwirft das
meiste, was heute die Bühnc be-
herrscht, und geht nicht nur als
Kritiker negativ, sondern auch posi-
tiv, als Schaffender dcm Ziele der
„Nenklassik" entgegen. Aber von
dem Dutzend Dramen, die er bis
heute herausgegeben hat, vermochte
noch keins den spekulativen Sinn
eines Lheaterleiters zu betören,
und so konnte man in Weimar
die vor fünf Iahren erschiencnc
Demetrios-Tragödie noch „urauf-
führen". Gestehen wir's: dasVer-
dienst war zugleich ein Wagnis.
Denn obwohl von manchem kunst-
begeisterten Feuilletonisten — unter
anderm vor wenigen Wochen von
Karl Scheffler im „Tag", der in
lärmender Begeisterung das deut-
sche Volk schmachvoller Vernach-
lässigung seines größten Tragödien-
schreibers anklagte — gefordert
worden war, man müsse dein Neu-
klassiker endlich Gelegenheit gcbcn,
im Feuer der Inszenierung und
Regie für das große Publikum
seine neuen Waffen zu erproben,
so war dennoch für den Praktiker
vorauszusehen, daß die Begeiste-
rung der Masse den Ruhm dieser
bislang schr esoterischcn Kunst nicht
alsbald an Alldeutschland verkün-
den werde. Es kam auch in der
Tat nur zu einem annehmbaren
Achtungserfolg.
Soweit das Verdienst — ge-
schmälert ward es leider von der
Bühnenlcitung selbst durch teil-
weise recht grobe Kürzungen am
Wortc des Dichters, von denen
nur wenige innerlich berechtigt
waren; man hatte wahrlich von
§6
Kunstwart XXIII,
jähriger, ist von den Verschwörern
bestimmt, das Attentat auszufüh-
ren, und die Freudigkeit, mit der
er trotz ersten jungen Liebesglückes
dazu bereit, enthüllt dem Vater
seine eigne Feigheit und unnütze
Erbärmlichkeit im grellsten Lichte.
Doch mit der Erkenntnis dämmert
zugleich der Entschluß zur Sühne
in ihm auf. Was der Iunge
tun wollte, tut der Alte, nun wie-
der einig mit der Iugend, deren
Ideale einst die seinen waren, ehe
das bittere Leben sie ihm hinter-
listig entwand . . . Ein Stück
voller wirkungsicherer Theatralik, die
am Ende leider allein triumphiert;
aber ein Stück auch reich an dich-
terischen Feinheiten, wie sie aus der
Stimmung eines Landes wachsen,
das seelische Intimität mit gesun-
der Lebenstreue und wirklichkeits-
froher Kleinmalerei zu versöhnen
gelernt hat.
„Streber", Schauspiel von
Anton Ohorn, im Friedrich-
Wilhelmstädtischen Theater. Ein
weltlicher Bruder des „Abts von
St. Bernhard". Sich selbst getreu
bis in den Tod, fällt der Vater,
ein pflichttreuer, gewissenhafter Be-
amter, als Opfer seiner Kinder,
des Sohns nnd des Schwiegersohns,
die beide sich als ausgemachte Stre-
ber entpuppen, der einc nach oben,
der andre — um des Kontrastes
und der lieben Gerechtigkcit wil-
len — nach unten. Ein Stück,
so recht nm die Faust zu ballen
und mit den Zähnen zu knirschen.
Ein Mnsterbeispiel derer „aus dem
Durchschnitt". Friedrich Düsel
Weimarer Theater
as Hoftheater in Weimar hat
sich das Verdienst erworben,
als erstes eine Tragödie von Paul
Ernst auf die Bühne zu bringen.
Seit mehreren Iahren fordert
Ernst — und nicht er allein —
eine neue dramatische Kunst, die
von allem heute Ablichen und
Geltenden sich bewußt fernhält, um
statt dessen die Aberlieferung der
großen Tragiker von der Antike
bis zu Hebbel aufznnehmen und
fortzubilden. Ernst verwirft das
meiste, was heute die Bühnc be-
herrscht, und geht nicht nur als
Kritiker negativ, sondern auch posi-
tiv, als Schaffender dcm Ziele der
„Nenklassik" entgegen. Aber von
dem Dutzend Dramen, die er bis
heute herausgegeben hat, vermochte
noch keins den spekulativen Sinn
eines Lheaterleiters zu betören,
und so konnte man in Weimar
die vor fünf Iahren erschiencnc
Demetrios-Tragödie noch „urauf-
führen". Gestehen wir's: dasVer-
dienst war zugleich ein Wagnis.
Denn obwohl von manchem kunst-
begeisterten Feuilletonisten — unter
anderm vor wenigen Wochen von
Karl Scheffler im „Tag", der in
lärmender Begeisterung das deut-
sche Volk schmachvoller Vernach-
lässigung seines größten Tragödien-
schreibers anklagte — gefordert
worden war, man müsse dein Neu-
klassiker endlich Gelegenheit gcbcn,
im Feuer der Inszenierung und
Regie für das große Publikum
seine neuen Waffen zu erproben,
so war dennoch für den Praktiker
vorauszusehen, daß die Begeiste-
rung der Masse den Ruhm dieser
bislang schr esoterischcn Kunst nicht
alsbald an Alldeutschland verkün-
den werde. Es kam auch in der
Tat nur zu einem annehmbaren
Achtungserfolg.
Soweit das Verdienst — ge-
schmälert ward es leider von der
Bühnenlcitung selbst durch teil-
weise recht grobe Kürzungen am
Wortc des Dichters, von denen
nur wenige innerlich berechtigt
waren; man hatte wahrlich von
§6
Kunstwart XXIII,