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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 20 (2. Juliheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0148
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die nrusikalische Illustration von
Ioseph Gustav Mraczek bleibt für
den romantisch-orientalischen Ge-
genstand zu farbenschwach und zer--
fahren, auch von ihr wünschte man
da mehr Reichtum und charakteri-
stische Kraft. Bezeichnend war, daß
den weitaus stärksten Erfolg des
Abends die rein episodisch einge-
fügte Produktion einer Schlangen-
tänzerin davontrug. Die große
Mchrzahl der Premierengäste, wel-
chen wieder festliche Toilette vor-
geschrieben war, applaudierte ihrem
Lanze ganz so, wie man die beste
Nummer eines Varieteprogramms
auszeichnet.

Hanns von Gnmppenberg

Vom ^lebenden Bild"*

as „lebende Bild" ist ein fast
noch schlimmerer Ausdruck
künstlerischer Anfähigkeit als die
Allegorie. Liegt es nicht schon in
der widrigen Wortkuppelung, daß
es nichts Echtes, Ganzes, Einheit-
liches sein kann? Ein Bild soll

* Wir geben mit diesen Aus-
führungen eine kleine Probe aus
der Flugschrift „Patriotischer
Anfug" (Dresden, A. Köhler), mit
der sich die beiden Kunstwartredak-
teure H. Allmann und W. Schu-
mann nicht nur gegen die Werning-
schen Festspiele, sondern gegen jene
Art von „patriotischer Gesinnungs-
pflege" überhaupt wenden, die in
Wahrheit alles andre eher, als
Pflege vaterländischer und völki-
scher Gesinnung, die vielmehr in
ihrem tiefsten Wesen durchaus
antinational ist. Ansern
Standpunkt kennen die Leser. Sie
werden aber in der Flugschrift man-
ches weitere finden, was sie im
Kampf gegen diese Sorte von
Schundliteratur ihrerseits brauchen
können. A

gegeben werden, also etwas Starres,
das momentanen Ausdruck, zusam-
mengeballten Ausdruck enthält, sich
ruhig und lange betrachten läßt und
einlädt zu Sammlung und Ver-
tiefung. And doch — „lebend"?
Das schließt sich aus. In Wirk-
lichkeit sind „lebende Bilder" auch
gar nicht lebend, sie bewegen sich
nicht, sie sind sogar meist peinlich
starr. Sie sind nur gebildet aus
lebendem Material, aus atmenden
Menschen, die für eine kurze Zeit
in eine Pose gebracht sind. Ver-
gebens würde man einen Preis auf
die Beantwortung der Frage setzen:
warum gibt man die Bilder denn
nicht einfach als Bilder, etwa mit
farbigem Skioptikon? Welcher Reiz
kommt zum Bilde hinzu, wenn man
es aus kostümierten Dilettanten und
Papprequisiten zusammensetzt, statt
ein Kunstwerk in einfacher Licht-
wiedergabe vorzuführen? Man kann
kaum etwas anderes anführen als
die — Spannung: ob einer um-
fällt oder ob einer gähnen oder
niesen muß oder ob man den Bru-
der oder Sohn oder die Tochter
trotz der Maskerei wiedererkennt.
And das wäre wohl keine künstle-
rische, sondern eine antikünstlerische,
weil eine vom Wesen des Auszu-
drückenden ablenkende Nebenwir-
kung. Oder glaubt man, daß durch
Beteiligung von Mitwirkenden
(eigentlich ist das Wort falsch! es
müßte heißen: Mitposenden) ein
innigeres Verhältnis des Publi-
kums zur Sache geschasfen wird?
Wohl nicht, denn alles innere
Mitleben wird ja durch die
Starrheit der Szenierung auf-
gehoben! Die Leilnehmer stellen ja
nur ein stummes, an und für sich
gar nicht zu beachtendes Glied dar,
dessen eignes Angesicht unter Mas-
kenwesen verschwindet, dessen Aus-
druck- und Gebärdensprache verge-
waltigt wird nach der 8. 8. v. „Idee«

2. Iuliheft (9(2 ((7
 
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