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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1931)
DOI Artikel:
Popp, Josef: Die Kunst Karl Knappes
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0227
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am wenigsten sichtbar, der Grnnd, auf dem sich aileS aufbauen könnte, ein Vorn
und Hinten, find einfach nicht feftftellbar; man wird geblendet, abgeftoßen, kann
zeitweise an den Dingen nichts sehen, wenn die kosmifche Ordnung der Zeit es nicht
zuläßt. 2luch hier ift für die milde Abendftimmung des befchauenden Gemüts kein
Platz, die jähen und feurigen Effekte deS GlaöbildeS im Verein mit einer grotesk-
herben Zeichnung sind dem 2luge rätselvoll oder fchmerzhaft. Knappes Glasbilder
haben das mit den sonftigen Arbeiten des KünftlerS gemeinsam, daß in ihnen eine
formale und ftoffliche Ursprünglichkeit sich kundgibt, die allein imftande ift, 'dem
Gedanklichen, dem Jnhalt Resonanz zu geben, weil sie die abgenutzten Mittel for-
maler Eleganz vermeiden, weil fie im Gegenftändlichen, m einer objektiv gefeftig-
ten Welt verankert sind, so daß der peinliche Gedanke an „Kunft" gar nicht auf-
kommt. Das Künftlertum Knappes kommt dabei auf seine eigentliche Höhe, weil es
sich verbirgt, weil es für unwesentlich gehalten werden möchte.

Es wäre unbillig, würde hier nicht auch des Vorfchlags gedacht, den Knappe für
das Reichsehrenmal der im Kriege Gefallenen veröffentlicht hat. Wenn es richtig
ift, wie man oft genug behauptet hat, daß unser inftinktloser, zermürbter bürgerlicher
Geift den Krieg verloren hat, dann sind die zahllosen Denkmäler, die ein auSgespro-
chen bürgerlicher Gefchmack nach dem Krieg aufgerichtet hat, nur der Beweis dafür
im Äfthetifchen; denn man fcheute fich nicht, faft überall mit matten künftlerifchen
Gebilden an daS furchtbarfte und folgenfchwerfte Ereignis zu erinnern, das in den
letzten hundert Jahren das Schicksal der deutfchen Nation beftimmt hat. Die Größe
eines Künftlers bemißt sich aber danach, ob er imftande ift, das Symbol zu formen.
Nichts ift für Knappe charakteriftifcher, als daß er allen Bildern aus dem Weg
ging: denn das was hier zu formen ift, entzieht sich dem allegorifch oder erzählerifch
Bildhaften. Die fchicksalhafte Beziehung zwifchen dem deutfchen Menfchen und der
deutfchen Erde mußte unmittelbar, gleichsam körperlich spürbar zum Ausdruck kom-
men. Und so faßte Knappe den genial zu nennenden Gedanken, überall im deutfchen
Lande an den Stellen, die würdig und zugleich viel begangen find, Steinplatten von
einheitlicher Form und Größe mit einem fymbolifch-runenhaften Erinnerungszeichen
an den Krieg in den Boden einzulassen, um in der sinnenfälligften und ftärkften
Art die Erinnerung und den mahnenden Gedanken an die Zukunft wachzuhalten. So
wie man in alten Kirchen über die Grabplatten längft verftorbener Gefchlechter geht,
von dem Gefühl der körperlichen Berührung seltfam durchfchauert, so sollte, im
Brandenburgertor ebensogut wie im fchlichten Eingang der letzten Dorfkirche, allen
Deutfchen der Gedanke an das letzte große Ereignis ihrer Gefchichte nahegebracht
werden. — Angesichts dieser allen maßgebenden Stellen bekannten Jdee wird noch
immer nach Vorfchlägen für ein Reichsehremnal gesucht.

blnsere Zeit wendet sich, so fcheint es, in radikaler Form von der Kunft ab. Sie
vollzieht damit nur das, was fchon vor hundert Jahren Hegel behauptet hatte (und
wogegen sich der fterile Geift des Bürgertums mit allen Mitteln zur Wehr setzte),
daß der gefchichtliche Tag der Kunft vorüber sei. Wir müssen heute Hegels Wort
vom Ende der Kunft in einem notwendigen Sinn korrigieren: die aus dem Süden
und Weften hereingebrachte Kunft ftirbt ab in dem Augenblick, da sich im Angesicht
der höchften Tragik die elementaren Kräfte des Deutfchtums regen und fammeln,
um allein der Kunft das Dasein zu gönnen, die würdig und befcheiden zur Seite
tritt, damit das Leben durch keinen anmaßenden Formalismus geftört werde, und
die dem Leben von Zeit zu Zeit gleichsam einen aufmunternden Blick zuwirft, wie es
die wahre Volkskunft von jeher getan hat. Knappes Kunft ift im Grunde Volks-
kunft, fie will nichts anderes fein. Gottlieb Schwemmer

(Llber Knappes Arbeiten und Gedanken unterrichtet das verftändnisvoll und eindring-
lich gefchriebene Heft von Otto Fifcher in der beim Benno Filser-Verlag erfchienenen
Schriftenreihe über die neuere Münchener Kunft.)

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