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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1931)
DOI Artikel:
Popp, Josef: Die Kunst Karl Knappes
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0228

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(^xnappes Form ist verhältnismäßig wenigen verständlich, auch dem Kenner er-
^Vschließt sie sich erst allmählich: das Schicksal des Bahnbrechenden, daß er zunächst
als Fremdling, Eindringling, selbst feindlich empsunden wird. Und Knappe ist em
Bahnbrecher; nicht so sast in der Besonderheit seines persönlichen Stils als durch
seine grundsätzliche Aussassung und Ausübung der Bildhauerei: Sie ist ihm roesenk-
lich bedingt durch den jeweiligen Werkstoss und die diesem zugehörigen Werkzeuge.
Mit Recht lehnt Knappe die allzu charakterschwache Substanz des ToneS ab, weil
sie sich zu allem hergibt — ein Hauptgrund, warum die Plastik deS 19. und gegen-
wärtigen Jahrhunderts vielfach nur nachgeknetete Naturgebilde hervorbringt. Die
Lehren HildebrandS sind vielfach schon wieder vergessen. Knappe nimmt sie all-
seitiger, tiefer, unmittelbarer wieder auf und zugleich frei von gefchichtlichen Vor-
bildern. Wenn seine Gebilde viel von primitiver Kunst an sich haben, so beruht
daö nicht auf Nachahnrung dieser Formstufe, sondern in der Gemeinsamkeit ursprung-
lichen GestaltenS und in einer verwandten Einstellung auf das Wesentliche der Form
und ihres Ausdruckes. Holz, Stein, Metall, jedes Material soll an der Kunstform
einen naturchaften Anteil haben. Ebenso sollen Messer, Meißel, Stichel, Schaber
und Hammer auf ihre Weise in der Formgebung mitsprechen. Nur was auf solchem
Weg, ohne virtuose Spielerei und Kunstlichkeit ersteht, läßt Knappe als wahrhaft
plastisches Werk gelten. Ein solches Sich-Führen-Lassen verlangt unendlich mehr
Können, Einfühlungsfähigkeit und Ehrfurcht als das Kneten im quatschigen Ton.
Es führt von selbst zum Wesenhaften der Form, ihres Lebens und jeglichen Voo
ganges. So erstehende Gebilde werden viel mehr Sinndeutungen als Nachahmungen
der Wirklichkeit, mehr Sinnbilder als Abbilder. Damit wird die Kunst wie von
selbst wiederum geistig. Diese Einstellung deckt sich mit dem Schajfen bedeutendster
Maler unseres Jahrhunderts. Wichert hat dies in der Frankfurter Sommerausstel-
lung „Vom Abbild zum Sinnbild" überzeugend bewiesen an Cezanne, Gauguin,
van Gogh, Munch, dem späteren Corinth, Kokoschka u. a. Jhre Bilder geben keine
Illustrationen, aber vieles von der Sehnsucht, der Freude und Bedrängnis der heuti-
gen Seele, von ihrer Weltverbundenheit, viel tiefinnerliche Menschen- nnd Lebensfchau,
selbst VisionäreS. Unter diesen Vorauösetzungen materieller, formaler und geistiger
Art sind die Werke Knappes zu verstehen und zu werten.

Wie ergreifen uns die Soldaten deS Münchener Kriegerdenkmals: ganz und gar
unsere ehemaligen Feldgrauen, schwer bepackt, im Dahinstampfen durch zermürbteu
Boden, erne endlos sich weiterwälzende Masse, hörbar im dumpfen Rhythmus ihres
Marsches! Wie nüchtern und leer wirken daneben die naturalistischen Krieger und
Kampfgruppen der meisten Kriegerdenkmale! Lyrisch zart ist die Stimmung um
die mädchenhaft scheue Madonna mit ihrem Kind; das leise Nahen deS Waldtieres,
der Wald selbst nur in ein paar Bäumchen sprechend, raunendes Waldleben und
Waldpoesie wunderbar spürbar. Wie andereS ersteht aus der dünnen Schieferplatte
und ihrem sparsamen Schuitt als aus dem schweren Steinblock und gewichtigen
Meißelhieb! Aus der wuchtigen Bronzeplatte guillt der strotzige „Heuwagen", scharf
gesehen in seiner schwanken Überfülle und dem unruhigen Gespann — als Gegen-
druck die Spannung des weiten Feldes, deutlich gemacht durch die wirksame Vertel-
lung der zwei Tiere. Knapp spannt sich der „Bettler" in Rahmen und Fläche der
Medaille, sein Stab als einziger Besitz Sinnbild seiner Armut und zugleich eine
horizontalc Bodenbereitung oder vielmehr Ausdruck ihrer Spannung; der ausgemev-
gelte, verzehrte Körper trotzdem wendig und räumig.

Aus Knappes Dienstbereitschaft an die jeweiligen Gegebenheiten erklärt sich auch
sein einzigartiges Verhältnis zur Architektur; keiner von unseren Bildhanern gleicht
ihm hierin. Er allein gestaltet aus dem Gefüge und Sinn des Bauwerks, anerkennt

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