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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 2 (Novemberheft 1931)
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Le Fort, Gertrud von: Die Letzte am Schafott, [2]: Novelle
DOI article:
Frankreich in Indochina, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0148

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arme kleme Blanche!) Rsern, das Iltenschllche allern genügk nichk! — es
genügk nichk einmal zum Opfer der Menschen. — Meine Tenre, der Bund
unserer Herzen war bisher immer auch ein solcher der Idee — werden Sie
die Veränderung Ihres Freundes erkragen? Noch einmal: Sie haben
das Work!

Frankreich m Jndochma

(Schluß)

IV.

(VV^an kann sich denken, wieviel nach Alimentierung all dieser Dinge an Geld
^ k^llnd Fnteresse für das BildungSwesen ubrigbleibt. (Schon in Frank-
reich bilden ja die AuSgaben fur das Bildungswefen nur einen ganz geringen Bruch-
teil derjenigen für die Kriegsrüstungen.) „Wir brauchen hier keine Fntellektuellen",
sagte einmal der Generalgouverneur. Die Aktiengesellfchaften, legt Vanlande mit
rückhaltloser Billigung dar, wollen keine Gebildeten, sondern Kulis und ganz speziali-
stifch ausgebildete Facharbeiter. „Die Bildung", sagte Sarraut, „soll hier lediglich
die Wirtschaftskraft erhöhen und die Beamten billiger machen." Bildung wird hier
an fich schon als etwaS blmstürzlerischeö angefehen, und es sollte für einen ehrlichen
Franzosen ein beschämendeS Schauspiel sein, daß ein Mensch wie Vanlande als
Repräsentant der herrschenden Meinung sich vor Ekel, Haß, Verachtung und Ver-
spottung aller aufrichtigen Aufklärung, GeisteSbildung, Ernstnahme von Fdeen, Ver»
mittlung von edlem europäischen Gedankengut an die Eingeborenen gar nicht zu lassen
weiß und verlangt: neben der Heranziehung von Spezialarbeitern sei die Aufgabe
der Schule aller Grade nur, Ordnung, Ruhe und Unterwerfung zu predigen.
Wie sehr diese Metternichsche Einstellung heute überhaupt Frankreichs geistkge
Grundlage geworden ist, zeigt auch die unübertrefffliche Komik, mit welcher Van-
lande einer neuen Religionsbewegung in Fndochina sein äußerstes Mißtrauen be-
zeigt, weil er darin etwas Fdeelles und Absolutes wittert, das sich als solches eines
Tages gegen Frankreich richten könnte. Für alles ideale Streben der blnterworfenen
hat er nur einen wahrhaft teuflischen Hohn übrig, ebenso für alle -ehrlich einer
reineren Jdee nachtrachtenden europäischen Lehrer, deren FdealiSmus sich allerdmgs
in der Kolonie im Kontakt mit den Kolonialeuropäern meistens schnell zu legen
pflege und der gewünschten Propaganda für Mäßigung und Stillhalten Platz mache.
Fn Frankreich mag man ja radikale Fdeen verkünden, meint Vanlande, da nimmt
sie doch niemand ernst.

Man wird also wohl denjem'gen Franzosen recht geben müssen, welche die fran-
zösische Schulpolitik in Fndochina als einen systematischen ObskurantismuS bezeichnen.
Während vor der französischen Ankunft sozufagen niemand von dem völlig kosten-
losen blnterricht unerreicht blieb, wachsen heute genau go°/o der Kinder gänzli'ch
ohne Schule auf. Private Schulunternehmen werden nach Kräften schikaniert und
größtenteils hintertrieben. Der blnterricht ist nach Möglichkeit auf Propaganda
und Assimilation eingestellt. Die Schulmänner, die herüberkommen, sind des Lan-
des gänzlich unkundig. Die Kinder lernen genau wie in Paris: „Unsere Vorfahren,
die Gallier...", und sehen auf Anschauungstafeln die Warnnng illustriert, offene
Kohlenfeuer zu unterhalten, und die europäischen Nußpflanzen, welche für sie ohne
Bedeutung sind. Wie in allen fremdvölkischen Gebieten Frankreichs wird die Lan-
desgeschichte grundsäßlich nicht gelehrt. (Vanlande allerdings findet auch den bln-
terricht in der französischen Geschichte sehr gefährlich!) Die Landessprache wird
.2^—Z Stunden wöchentlich unterrichtet, und auch das gilt ausdrücklich nur als por-
läufig. Fn Wirklichkeit lernt der Annamit seine.Muttersprache m der Schule nicht

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