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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1932)
DOI Artikel:
Ullmann, Hermann: Vom Volk zur Nation
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0844

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Vom Volk zur N'ation

Von Hermann Ullmann

as deuksche Ringen um GeslalL gehL verworrene Wege, in AkLionen

"<-7und ReakLionen, die es schwer machen, den Vorgang als Ganzes zu
sehen. Gerade aber dieser Blick auss Ganze allein wnrde es möglich
machen, zu einer weniger einseiLig sanaLischen, dasür aber fruchLbaren und
realisiischen GeisteshalLung in DeuLschland zu kommen. Einstweilen enL-
sprichL weder „rechLs" noch „links" die poliLisch-geistige Haltung der wirk-
lichen denLschen Lage, man findeL auf beiden Flügeln nur schwer aus alLen
Illnsionen heraus, ja man konstruierL dauernd neue.

2lber auch dieses EnLwicklungsstadium eines Volkes, das IahrhunderLe hin-
dnrch ohne PoliLik lebLe, das sein Schicksal nur in Einzel- und Spezial-
leistungen erfüllLe und das jetzL plötzlich, seiner SLeuerlosigkeiL und der Ge-
fahr bewußL geworden, wie in einer Panik als Mcksse zum SLeuer eilL,
muß überwunden werden. Die angenblickliche Überpolitisierung der DeuL-
schen, bie so viel politischen DileLLanLismus zeitigt, dieser unvermiLLelte Über-
gang vom StammLisch zur Massenbewegung und zum blutigen Ernst, ist ein
notwendiger Durchgangszustand; er ergreifL die Uns>oliLischen, vom Bauern
und Kleinbürger bis zum wissenschaftlich geschulten InLellekLuellen, am hef-
Ligßen und stellt dem politisch BegabLen ganz neue Aufgaben, eröffneL ihm
aber auch ganz neue Möglichkeiten. Die unendliche Fülle von scheinbar nutz-
loser Erregung, von SekLenbildung und Massenbewegung, dieses 2luf- und
AbfluLen von kurzlebigen Gründungen und rasch zusammenbrechenden Ber-
suchen, ist inuner wieder Ausdruck eines gewaüigen Umbildungsprozesses,
der immer wieder von Ermüdungserscheinungen, von verfrühten Stabilisie-
rungswünschen unterbrochen wird. Er stellt ungeheuere älnforderungeu, lösi
aber offensichtlich auch völlig neue Kräfte.

Dieser llmbildungsprozeß haL nichL allein uns ergriffen. 2llle Rlationen der
Erde sind ihm augenblicklich, allerdings in sehr verschiedenen Graden, unter-
worfen. 2lm sichLbarsten änßerL er sich in höchst verworrenen und scheinbar
ziellosen staatlichen Kämpfen. Näher kommt man seinem Wesen, wenn man
ihn als Wandlungen der Völker und RkaLionen nnd ihres BerhälLnisses
zueinander zu verstehen versuchL.

Das Schicksal der Deutschen ist im wesentlichen dadurch von dem anderer
Völker unterschieden, daß bei chnen ganz besonders dentlich Bolk, Na-
Lionund Staat sich getrennL entwickelt haben. Einer der ersten,
der das in der KriegszeiL erkannL hat, Ignaz SeLpel, hat dieses Problem,

Septemberheft igz2 (XXXXV, 12)

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