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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 3 (Dezemberheft 1931)
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Rinn, Hermann: Noch ein paar Ratschläge
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0243

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Einheit in aller Vielfalt. Sie roäre vollkommen gelnngen, wenn sich das Bnch
im deukschen Hause einbürgerte und dazu beitrüge, das unsichere Selbstvertrauen des
Deutschen zu stützen, indem es ihm die Leistung seiner Ahnen als Glück und Ver-
pflichtung vor Augen hält. Um ein Werk wie die Kunstgeschichte Dehios können
uns andere Nationen beneiden. Jn der neuen Auflage ist das Bildermaterial er-
neuert und das Werk hat nun auch nach außen hin die Würde, die ihm gebührt.
Jmmer schon ist Dehios darstellerische Meisterschaft gerühmt worden. Er hat nun
eine letzte Hand angelegt, so daß das Ganze den Rang der Klassizität erreicht hat
und dieses Werk über die nationalen Denkmäler der Kunst selbst ein nationales Kurist-
denkmal geworden ist. R.

Umschau

Hat die Wirtschaftsforschung
verfagt?

^onathan Swift erzählt, daß bei den Li-
-^Dliputanern die besten Seiltänzer Mini-
ster wurden,undD. Mendelejesf, der große
russische Chemiker, hat einmal den drasti-
schen Ausspruch getan: „Sogar wenn ich
mir ein Klosett einrichte, rufe ich mir
einen Spezialisten; ist denn die Entschei-
dung über die Einrichtung eines Staates
etwa leichter, so daß jeder da mitpfu-
schen könne?" Nun, es hatte eine Zech
lang in Deutschland den Anschein, als
ob die Beschäftigung mit wirtschaftlichen
Fragen Lurus sei, geeignet für spintisie-
rende Gelehrte in dumpfen Studierstu-
ben. Erst in jüngster Zeit erinnert man
sich, daß man solche Leute auch brauchen
könnte, und es sollen in den jetzt so bo-
beliebten Sachverständigenkommissionen
für Wirtschaftsfragen sogar einige Na-
tionalökonomen sitzen. Hatte man aber
bislang überhaupt nicht auf deren Mei-
nungen gehört, so verfällt man heute ins
andere Extrem und erwartet von ihnen
eine Patentlösung der Zukunft. blnd weil
nun mal die Konjunktur für solche Lösun-
gen blüht, so entwickelt sich auch eine
geschäftige Literatur, die eine Unzahl von
Rezepten vorschlägt, die Aufklärung brin-
gen soll und Verwirrung bringt. Es ist
interessant, in welch bestechend einfache
Schlagworte man seine Thesen bringt,
und es ist für die geistige Verfassung
unserer Zeit bemerkenswert, daß man
wieder beginnt, „Staatsromane" zu
schreiben und sich bewußt mit bltopien
zu beschäftigen. Aber all das i st zu
nichts n u tz. So verständig der Ruf
nach einer Tat ist, so gibt es doch keine
sinnvolle Tat, wenn sie nur auö Sturm

und Drang geboren ist, sie muß ausge-
richtet sein an den nüchternsten Tatsachen
und den härtesten zwingenden wirtschaft-
lichen Gesetzmäßigkeiten.

Drum erwarte man nicht alles von einem
Wirtschaftsrezept! Es ist ein Gebot der
wissenschaftlichen Ehrlichkeit und das Ziel
einer echten Aufklärung, die Grenzen
zu zeigen, bis zu denen die heutige Wirt-
schaftsforschung vorgedrungen ist. Wirt-
schast und Politik haben Hand in Hand
zu gehen. Der Politiker hat die
Ziele zu setzen, der Wirtschaftler
hat die M i t t e l zur Erreichung der Ziele
aufzuzeigen. So kann die alte Antithese
„Macht oder ökonomisches Gesetz" zur
Synthese werden.

Das System „deS freien SpieleS ökono-
mischer Kräfte", daS man wohl auch das
klassische nennt, in seiner Geschlossenheit
und in seinem logischen Aufbau uner--
reicht geblieben, hilft uns nicht mehr weö-
ter. Zwar vermittelt es uns die Kenntnis
scharfsinnig durchdachter KombinationS-
und Erfolgs möglichkeiten, zwar
trägt eS außerordentlich zur begriff-
lichen Klärung von wirtschaftlichen Zu-
sammenhängen bei, doch ist es durch Ab-
straktionen höchsten Grades, durch die
isolierende Methode so weit vom heuti-
gen wirklichen Geschehnisablauf entfernt,
daß von ihm keine Brücke mehr zur Wirk-
lichkeit führt. Denn die entscheidenden
Voraussetzungen dieses Wirtschaftssy-
stems: völlig freie Konkurrenz, freier in-
ternationaler Verkehr, ein Preissystem
ungebundener Preise, daher der Preis als
Regulator am Markt, und endlich Men-
schen, die nur nach dem ökonomischen Ge-
setz des kleinsten Mittels handeln, sie
sind heute keinesfalls mehr gegeben und
ferner denn je. Ob wir nun diesen Zu-

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