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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1932)
DOI Artikel:
Wiechert, Ernst: Über neurussische Dichtung
DOI Artikel:
Briccius, W. A.: Wegweiser durch die Wirtschaftsliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0744

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Eckerskocn „Die Hölle im Somjekpacadies" (2l. Vollmec, München). Steinec „Skarreel
Skarree!" (Tyrolia). Rachmanowa „Stndenten, Liebe, Tscheka und Tod". (Pusiet, Salz-
burg). Tlisorooj „Oas Eismeer" (Union Oeutsche Verlagsanftalt). Schmeljow „Liebe
kn der Krim" (Reclam), „Dorfrühling" (Rotapfel-Derlag, Zürich).

Wegweiser durch die WirtschafLsliLeraLur

s ift an der Zeit, Grundsätzliches nnd Kritisches zur neueren Entwicklung der

Wirtschaftsllteratur zu sagen. Es genügt nicht, festzustellen, daß immer mehr
die Flut dieseS Schrifttums anfchwillt und daß es Lechnisch und zeitlich überhaupt nicht
mehr möglich ist, all daS Gedruckte zu lesen, geschtveige denn eS zu verarbeiten. Wie
vor einiger Zeit in der Kriegsliteratür, so zeigt sich jetzt auch auf diesem Gebiete
eine Haussebewegung. Ein Berg mehr oder weniger umfangreicher Bücher und
Brofchüren türmt sich an. Hunderte von Ansichten, Theorien, GlaubensbekennL-
nissen, Programmen und LösungSvorfchlägen bilden ein fast unentwirrbares Durch-
einander, und es wird für den wirtschaftswissenfchaftlich Ungeschulten ein vergebli-
ches Bemühen bleiben, hier auch nur annähernd dllrchzufinden. So viele Autoren
so viele Meinungen, und hat man glücklich ein Buch durchgearbeitet, so kann man
sicher sein, ein weiteres zu finden, in dem daS genaue Gegenteil steht. „Ende des
Kapitalismus" mit und ohne Fragezeichen, „Die Zukunft des Kapitalismus",
„Durch Lohnabbau aus der Arbeitslosigkeit!", „Die Behebung der Arbeitslosigkeit
durch Lohnerhöhung", „Ende der Wirtschaftskrise durch internationale Arbeitstei-
lung", „Autarkie — der Weg zur Rettung!" usw. Aber zum Trost der Leser sei
es vorweggenommen: man verliert nicht das mindeste, wenn man das meiste davon
nicht liest! Wir stehen nicht an, zu behaupten, daß vieleS, was heute als Augenblicks-
leistung produziert wird, wert ist, morgen wieder eingestampft zu werden. Worum
es sich aber handelt, ist: zu sichten, zu säubern und das herauszufinden, was wertvoll
ist. Kein nervenzerreibendes Lesen überflüssiger Erzeugnisse, aber Konzentration auf
das Studium ernsten Schrifttums! Dazu den Weg zu zeigen und Richtlinien für sau-
beres kritifches Denken zu umreißen, betrachten wir in dieser Zeit der Derwirrung
als eine unserer Aufgaben.

Um einigermaßen Ordnung in das Durcheinander zu bringen, glauben wir einige
große Gruppen, in die sich das Wirtfchaftsfchrifttum zusammenfassen läßt, heraus-
stellen zu müssen: Die reine Profitliteratur, die moderne Wirtschaftsbelletristik, die
Parteiliteratur und die wissenschaftliche Literatur. Wie bei jeder Systematisierung
gibt es natürlich auch hier Grenzfälle und Llbergänge, die aber durch die Berwischung
der scharfen Grenzen vielleicht die gefährlichsten und am schwersten durchschaubaren
Erzeugnisse sind.

Das meiste der literarischen Produktion fällt unter die erste Kategorie: Profitlitera-
Lur. Hier handelt es sich um echte Geschäftemacherei! Llbelstes Geschreibe wird am lau-
fenden Band produziert. Devise ist dabei, aktuell um jeden Preis zu sein. Wn Buch
soll so schnell geschrieben werden wie ein Tagesartikel, Tempo, Tempo! „Vielleicht
ist morgen alles schon vorbei!" Das kapitalistische System funktioniert glänzend! Der
Wissenshunger, die Nachfrage ist enorm gestiegen, berühren doch alle diese Fragen
die Lebensinteressen jedes Einzelnen in stärkstem Maße. Also paßt sich die Produktion
an, die Verlagskonkurrenz droht; bei der Not der geistigen Arbeiter findet man leicht
willige Autoren, die ja selbst Geld verdienen wollen und müssen. Man kalkulierk,
man produziert, die Nachfrage wird scheinbar befriedigt mit bedrucktem Papier,
mit einem gefälligen Umschlag und mit einem zugkräftigen Titel. Das kann man er-
reichen. Was man aber auf diesem Wege nicht erreicht, ist: EchteS, „Jnhalte",
Wesenhaftes zu fchaffen! Wir würden über diese Art Literatur nicht so viel Worte
verlieren, wenn sie sich nicht in unerhörter Weise breitmachen würde und wenn nicht
fchärfste Kritik an dieser Art geistiger Prostitution am Platze wäre.

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