Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 4 (Januar 1932)
DOI Artikel:
Mechow, Karl Benno von: Sorgenfrei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0272

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Sorgenfrei

Von Karl Benno von Mechow
ar es kürzlrch erst, war es vor dreihunderL Jahren? Darum gehk es

^>^)heuLe nichL. Ein Krieg zerbrach, und seine Scherben rollLen nber die
Erde. Um ihn gehL es nichL, es gehL um Menschen. Friedrich Ramm und
seine in verborgener Stille blühende Frau, sie lebten und sie slarben am Leben
wie alle Menschen.

Die Scherben rollLen, und SchuLL lag aus der Erde. 2lus den balLischen
Ländern zogen die deukschen Truppen, sie eilLen der Heimat enLgegen und
sahen sich nichL um. Sie marschierLen in großen und kleinen Trupps, flüch-
Lend die einen, in soldaLischer Ordnung die anderen, alle jedoch eilend nnd
von einem einzigen Wunsche gejagt. Sie dachten an dies und an das, an
Frauen und Kinder; nicht kümmerte sie, was sie hinter sich ließen.

Ihr Marsch war schwer, Gesahren sielen ihnen von allen SeiLen über
den Weg. Endlos weiL, kaum einem Gedanken erreichbar lag die deutsche
Grenze. Die Russen siießen ihnen in den Rücken und bedrohten ihre Flan-
ken, Äufständische saßen in der MiLLe ihres Heereszuges, schossen aus den
Häusern und sperrLen ihnen die SLädLe. 2ln der estnischen Küste suhr ein
KronstädLer Geschwader entlang und wars schwere GranaLen weiL in das
Innere des Landes. Sie Lrafen nichL viel, die dorL aus ihren Schissen, sie
wußLen nichLs zu Lressen. VielleichL konnten sie nichL einmal richLig schießen!
RkichL erinnerlich, daß auch sie noch Wunden schlngen in das sliehende Heer.
2lber das Orgeln ihrer schweren GranaLen beherrschLe das Land und erschüL-
LerLe manches slüchtende Herz.

Der sliehende Mensch, — aus jedem Busch neben dem Wege wächst ihm
eine große Gesahr, er bedars keiner stärkeren Drohung. Er bedars keines
GewiLLers, ihm genügL der leiseste Wind. Er bedars auch nicht des poltern-
den Fluges serner GranaLen. Er beziehL alles aus sich und gibt nnr einen
ganz kleinen Laut.

SchlechL stehL es um den slüchtenden Menschen. Sein Herz ist ohne Trost,
sein Herz ist jeder Güke und Schönheit verschlossen. Verwnnderlich also, daß
in einer der einsam ziehenden Kolonnen ein Mann von der Liebe sprach.

Es war ein Trnpp Nerker, er gehörte nicht zu denen, die ohne HalL und
Besinnung dahineilken. MchL zu denen, die das von ihren Führern angesetzte
NachLquarLier in wilder 2lngst überliesen, die aus den Schlas verzichteten,
um immer nur im Lausen zn bleiben, die keine Stunde vorüber lassen
wollten, ohne daß sie der HeimaL um einige SchriLLe näher gebrachL
wurden.

Es war ein Zug Dragoner, er ritt gemessen wie im Frieden, langen SchriLL,
kurzen Trab. Sie waren nichL sröhlich, nein, aber es sielen ihnen auch
keine Tränen in den BarL. Sie marschierLen durch das Leben, einmal ging
es vor, einmal zurück, einmal wird es enden.

Der LeuLnanL riLL miL einem SergeanLen an der Oueue, denn hinten
war der Feind. Sie gehörten zu den LeHLen des heimwärts ziehenden Heeres.
Und im MaLsch ihrer leeren SLraße, im Winde ihres herbstlichen ReiLens,

230
 
Annotationen