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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1932)
DOI Artikel:
Conrad, Joseph: Der geheime Teilhaber: Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0557

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Der geheime Teilhaber

Rkovelle von Ioseph Conrad

^If^echLs von mir befanden sich Neihen von Absteckpfählen für FifcherneHe,
^^ein geheimnisvolles Syftem von faft im Wasser verfchwindenden Bam-
busrohrzäunen, unverftändlich in ihrer Einteilnng des tropifchen Fifcherei-
gebietes; von ganz verfallenem Aussehen, als hätte irgendeine nomadifche
Fifcherhorde, die nach dem anderen Ende des Qzeans fortgezogen war, sie auf
Nämmerwiedersehen verlassen, denn es waren, so weit das Ange reichte, keine
Spnren menfchlicher Behausungen zn erblicken. Links war eine Grnppe kahler
Jnselchen, die an Überrefte von fteinernem Gemäuer, Türmen und Block-
häusern erinnerten und ihre Grundmauer in einem blauen Meer hatten, das
selbft aus einer massiven Subftanz zu beftehen fchien, so ftill und unerfchükter-
lich lag es unter meinen Füßen; sogar der Streifen Licht, den die untergehende
Sonne darauf warf, hakte einen ftillen Glanz, dem jenes lebhafte Funkeln
fehlte, das eine unmerkliche Kräuselung der Wasserfläche verrät. llnd als ich
den Kopf wandte, um einen letzten Blick auf den Schlepper zu werfen, der
unser außerhalb der Reede verankertes Schiff eben verlassen hatte, sah ich,
wie sich die gerade Lim'e der flachen Küfte nn't einer vollkommen lückenlosen
Gefchlossenheit an das regungslose Meer anfügte und mit ihm gleichsam
einen einzigen ebenen Fußboden, die eine Hälfte braun, die andere blau,
unker dem weiten Himmelsdom bildete. Zwei kleine Baumgruppen, ebenso
unbedeutend wie die kleinen Inseln, markierten auf jeder Seite der ein-
zigen Lücke in der sonft fehlerlosen Fuge die Mündung des Flusses Meinam,
den wir eben verlassen hatten und der die erfte Station auf unserer Heimreise
war. Weit hinten auf dem flachen Binnenlande war eine größere und höhere
Masse — der Hain, der die große Paknam-Pagode umgab — der einzige
Punkt, bei dem das Auge vom vergeblichen Absuchen des eintönigen Horizonts
ausruhen konnte. Ein GliHern hier und da, wie von einigen zerftreut liegen-
den Silberftücken, zeigke die Windungen des großen Flusses an, und auf
einem von diesen — dem nächftliegenden, gerade innerhalb der Barre befind-
lichen — verlor ich den auf das Land zufteuernden Schlepper aus den Augen,
Rumpf, Schornftein, Maften, als hätte ihn die teilnahmslose Erde verfchluckt,
mühelos, ohne das gevingfte Erzittern. Mit den Blicken verfolgte ich die
leichte Rauchwolke, die bald hier, bald dork über der Ebene fchwebte, je nach
den Windungen des Flusses, bis ich sie fchließlich hinker dem wie eine
BifchofsmüHe geformten Berg, auf dem die große Pagode ftand, verlor. Und
dann war ich wieder allein mit meinem Schiff, das am Eingang des Golfes
von Siam vor Anker lag.

Am Ausgangspunkt einer langen Reise lag es sehr ruhig in einer unendlichen
Stille. Durch die untergehende Sonne wurden die Schatten seiner Maflen
weit nach Often geworfen. In diesem Augenblick war ich allein an Deck. Es
war kein Laut auf dem Schiff, nichts regte sich um uns, nichts lebte, kein
Boot auf dem Wasser, kein Bogel in der Luft, keine Wolke am Himmel.
Es fchien mir, als ob wir in dieser atemlosen Pause vor dem Beginn einer
langen Fahrt unsere Tauglichkeit für ein langes und mühseliges Unternehmen
abwogen, für die uns beiden vorgefchriebene Aufgabe, die fern von allen

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