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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 2 (Novemberheft 1931)
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Picht, Werner: Verstehen inter nationes
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Diesel, Eugen: Grundsätzliches zum Thema "Wirtschaft"
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0117

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loser Wahl das Kongeniale, das Fördernde an, sie baut sich eine geordnete
Welk auf nnd nimmt geöffneten Geisies das geeignete Mmterial, wo sie es
findet. Dem „Versiehenden" aber gibt sich die fremde TLelt gerade, wcil er
von sich, seinen Äedürfnissen und Gesehmäßigkeiten abzusehen weiß. Er
gibt sich — vorübergehend — auf, und wenn er in die „Heimat" seines Seins
zurückkehrt, isi er ein anderer geworden.

Diese Erfahrung, es wurde gesagt, isi wenigen vorbehalten. Aber sie ant-
wortet — und darin liegt ihre Rechtfertigung und ITotwendigkeit — auf
ursgrüngliche Bedürfnisse. Es isi ein Urtrieb des Geisies, der ihn über alle
Grenzen hinaus nach dem Ganzen sireben heißt. Und es isi ein Urtrieb
des Herzens, der nach dem Schmelzen aller Form verlangi, die es von dem
fremden, ja gerade von dem fernsien Herzen trennt. Die Seele des Menschen
würde zu atmen aufhören, wenn diesen Trieben nicht im Ilmkreis jeder
Volksgemeinschaft Genüge geschähe.

Das Versiehen von Wation zu Nmtion aber, dieser Akt, durch den wir uns
so zugleich verneinen und im tiefsien Kern besiätigen, wird sich nie als

Agosieriori psychologischer Erkenntnisse ergeben. Er isi bedingt durch das

große Apriori des Glaubens an den cklkenschen. Ohne ihn gibt es keine Eini-
gung der Welt.

Grundsätzliches zum Thema „Wirtsckaft"

Bon Eugen Diesel

(HV'enn man in frühercn Zeiten von der Wirtschaft und vom Wirtschaften
^^^D sprach, so dachte man an das Hauswcsen, an die häusliche Verwaltung,
an Hof, Acker, Werksiait. Es gab eine Hauswirtschaft, Hofwirtschaft, Gasi-
wirtschaft, Landwirtschaft usw. Recht selten einmal wurde das Wort im

Zusammenhang mit Vblk, Staat und Stadt gebraucht; man erweiterte die

Sghäre des Begriffs nicht bis zu den allgemeinsien Gewalten des Handels
und des Produzicrens. älber heuie faßt das Wort ungefähr alle Vorgänge
und Zusiände zusammen, die vom Erwerbsleben, der Produktion, der Spe-
dition, dem Geld, der Technik usw. ausgehen. „Die Wirtschaft" isi plötzlich
ein Ausdruck für eine dunkel vermuiete Realität aller Realitäten geworden;
der modernc „Wirischaftler" tritt siolz in die Arena, etwas ganz anderes als
ein alter „Wirtschafter". Die Maschine, das Verkehrs- und Tkachrichten-
wesen, die üöerraschenden neuen Produktionsformen, die rätselhafte Schick-
salsmacht der „Konjunktur", das alles und vieles andere hat sich summiert,
und es hypnotisiert uns nun mit einer Vorsiellung von der Majestät und
dem Primat des Wirtschaftsgeschehens. Ieder führt das Wort „Wirt-
schaft" im Munde, jeder hält „die" Wirtschaft für ein geheimnisvolles
großes Eiwas mit bewunderungswürdiger „EigengeseHlichkeit". „Die" Wirt-
schaft blüht, „die" Wirtschaft isi im Verfall. Ieder, der ein Unternehmen
leitet, hält sich für einen Wirtschaftsführer. Deutschland legt sich einen
„Neichswirtschaftsrat" zu. Im Geisie siehen wir alle vor der ungeheuren
Allegorie „die Wirtschaft" als der Herrin unseres Schicksals stramm. Frü-
here Zeitalter hatten es offenbar nicht nötig, sich eine solche allegorische oder
fiktive Gesamtvorsiellung von „der" Wirtschaft zu bilden. Man sprach von

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