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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 5 (Februarheft 1932)
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Schellenberg, Ernst Ludwig: Andreas Haukland
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Briccius, W. A.: Wege aus der Krisis
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0372

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schließt. Der Wald wanderte! Eine endlose Schar seltsamer, weißer Gestalten glitt
lautlos nnd geisterhaft durch den weißen Nebel." Das Unverbrauchte solcher Ge-
sichte überrascht immer wieder und vermag, wie in „Helge der Wiking", die stockende
Handlung zu durchpulsen und auszugleichen.

Es begreift sich, daß auch die Tiere eingefügt werden in die naturhaften Ge-
schehnisse. Ein Kapitel wie die Schilderung des Fuchsfangs („Die Nornen spinnen")
vermag nur der nordische Mensch zu schenken, und man braucht nicht erst auf Bengt
Berg oder Svend Fleuron zu blicken, um unbestreitbare Meisterstücke zu entdecken.
Der Elchfang („Die großen Wälder") oder die Renntierjagd („Ansiedlergeschichten")
lösen atemlose Erwartung. Und „eine Königssage aus der Wildnis" wird die selb-
ständige Erzählung „E l ch"* — ein schweigendeS, wandelndes Gleichnis von Liebe
und Kampf, Jugend und Vergehen. Gerade hier bezeugt sich daS Ungewöhnliche
und Eigene in unwiderleglicher Fülle.

Es ist ein hastiger Jrrtum, den Künstler schematisch zu werten; diese vder jene
persönlichen Wünsche ihm zur Last zu legen, anstatt ihn hinzunehmen, wie er ist und
sein muß. Mag eS andere Dichter geben, die geschickter und weitläufiger eine Hand-
lung zu wirren imstande sind; mögen andere sich vorzüglich in der seelischen Ent-
wickelung betätigen — es werden nur sehr wenige sein, die Haukland gleichen an
urwüchsiger Kraft und Naturnähe. Einer, der abseits blieb, der sich selbst bewahrte,
ein Eigener und Starker — ist es uicht genug, ihn zu besitzen und ihm danken zu
dürfen? ErnstLudwigSchellenberg

Bachfchrift. Der Roman „Flut und E b b e" (Sponholtz, Hannoverj behandelt ein alteS
und doch so entscheidendeS Problem. Die Bauern eineS stillen FjordS gehen zugrunde an der
Jndustrialisierung, die plötzlich in ihre Zivilisationsferne hineingetragen wird, und bleiben ver-
armt und ratloS zurück, nachdem ein rasches Aufblühen scheinbares Glück verheißen und
hasiig verblaßt ist. Hier sind vor allem die beiden Gesialten des sanften Schneiders Johan
und seiner so kraftvollen Schwester 2lne bemerkenswert; aber immer ist es die Darstellung
an sich, die zu Staunen und Freude hinreißt.

Wege aus der Kri^is

as Schrifttum, das sich mit Krisenfragen beschäftigt, wächst ins Ungemessene,

^><^und nach vorsichtiger Schätzung soll die Neuproduktion an Büchern und Bro-
schüren, die sich mit diesem Problem befassen, die Zahl von 2000 weit überschritten
haben, ungerechnet die zahlreichen in Zeitschriften verstreuten Artikel. Ouantität
an Stelle von Qualität! So bleibt das Ergebnis einer Auölese daraus wenig er-
giebig. Eine ungeheure Verschwendung an Zeit und Kraft für den Produzenten und
Konsumenten! Man muß sich ernsthaft fragen, was denn passiert wäre, wenn die
Mehrzahl der Erzeugnisse ungedruckt und ungelesen geblieben wäre? Wenn wir
einmal die Bücher ausscheiden, die von geschäftstüchtigen Literaten unter zugkräftigen
Titeln geschrieben wurden (die Wahl des Titels ist vielleicht das einzige „Problem"
dieser Schriftsteller), weil die „Konjunktur" der Krisis günstig ist, und die, bar
des wirtschaftlichen Einmaleins, eine trostlose blnwissenheit dokumentieren, wenn wir
weiterhin die Schriften außer acht lassen, die parteipolitisches Gepräge tragen, da
man ja am Anfang schon weiß, was auf Biegen oder Brechen nach der Partei-
doktrin herauskommen muß, so wird der Kreis schon wesentlich enger. blnter den
Propheten und Heilkünstlern interessieren uns also die Scharlatane und Kurpfuscher
weiterhin nicht.

Unter der Krisenliteratur ragt schon durch den buchhändlerischen Erfolg „D a s
Ende des Kapitalismuö" von §. Fried, das in Eugen Diederichs' Verlag,

* Gyldendalscher Derlag, Berlin.

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