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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1932)
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Schellenberg, Ernst Ludwig: Andreas Haukland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0371

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noch etwas von der anfänglichen Bedeutnng, von den ewigen Zusammenhängen. Und
das eben verleiht den Buchern ihren besonderen Wert. Haukland will nicht erklären,
entschuldigen, verschönen; er gibt die Dinge, wie er sie sieht — und wie sie sind.
Man weiß, daß man sich aus das verlassen kann, was er sagt; denn es ist nicht
nur ersonnen, sondern erlebt und — gelebt. Niemals wohl wird der helle Südländer
in seiner plastisch klaren Umgebung begreisen können, was in dieser nordisch ge-
wichtigen Darstellung gegeben ist. Jmmer wieder mit unweigerlicher Strenge. Die
Einsamkeit dessen, der ganz nur auf Wechsel und Wandel der Natur verwiesen ist.
Und zugleich die Frömmigkeit der Erkenntnis, daß man sich an diesen Widerständen er-
heben musse, um über sich hinauözuwachsen. Immer das Bewußtsein, daß hier Mächte
walten, die über dem Menschen sind, die er voll Demut verehren soll. „So war
es bestimmt schon an dem Tage, da die Welt noch als Keim in GotteS Gedanken
schwamm."

Da sind vor allem die „Ansiedlergeschichten aus Nordland" und die
beiden Novellen „D as Meer und die großen Wälde r"*. Was wird denn
berichtet? Fischfang, Bärenjagd, Holzarbeit — lauter alltägliche, gewohnte Be-
schästigungen. Aber wie ist dies alles in der Natur verwurzelt! Eine enge, gehaltene
Welt, auS der es mitunter wie Blitze aufzuckt an schwülen Sommerabenden. Die
Leidenschasten wissen nicht Zwang und Hemmnis; sie rasen gleich Naturgewalten.
Welch eine Gestalt, die unerbittliche Brunhild in den „großen Wäldern"! Und da-
neben wiederum der leidgebeugte, einsamkeitdurchschütterte Geistliche („Das Meer").
Der alte Steinar mit seinen verschieden gearteten Söhnen in den „Ansiedlergeschich-
ten" — man kann sie niemals wieder vergessen. DaS von Dämmerlicht überhuschte
Bild des Marktes mit seinen wilden Rausereien, oder die bannenden, dumpsen Ge-
stalten des LappenvolkeS! Es ist viel Leid und Schwermut in diesen Erzählungen;
nichts von südlicher Leichtigkeit und hohem Himmel. Und es kann nicht wunder-
nehmen, daß auch die hellsichtigen Menschen, die Fremsynde, m dieser großen Ein-
samkeit an ihrer peinvollen Gabe zugrunde gehen, wie die arme „E l i vom
Schwarzwasse r"**. Wie Schatten gleiten die Gestalten vorüber, und manch-
mal slackert es darüber hin gleich jähem Fackelschein.

Und nun die Natursymbolik selbst! Kem zusälliges Aneinanderreihen, kein be-
ziehungsloses Abschildern; sondern innere Notwendigkeit, wahrhast dichterische Schau.
Ob der Winter niederschneit, unablässig, weit und kummervoll; ob der Herbst mit
Gold und Reif und letzter Milde durch das Land schreitet oder der bang und lang
ersehnte Frühling allgemach die Starre zu lösen beginnt — immer sühlt man sich
hineinbezogen in die Landschast, und immer ist sie neu und erhaben. Gleichnisse
von zwingender Gewalt: „Ohnmächtig raste das Meer gegen die Schären und wars
seinen weißen Schaum dem Sturme nach ... wie ein Verlassener, der einsam flu-
chend die Fäuste ballt." Oder: „Dann und wann hörte man einen saugenden Ton,
der dem Sturm sein Gewicht nahm, als zöge das Meer den Atem ein, so daß der
Naum sich leerte." Dann wiederum die nächtliche Einfachheit im Gebirge: „Blau
leuchtete die Hochebene. Der Himmel hing über ihnen wie ein Lichtnebel, überrieselt
von Sternen. Es war, als ob jeder Stern vor Licht dampste. Und der Lichtdampf
jedes Sternes ging in den Lichtdamps anderer Sterne über, daß nichts weiter über
der Hochebene war als der lichtdampsende Nebel, in dem die Sterne glühten."
Welch übermannende Eindringlichkeit m der Wiederholung der Worte! Der Winter-
zauber des Waldes: „Weiße Gewänder wallten um die Bäume. Der Wald schien
zu schreiten. Er stand nicht mehr düster tmd rätsechast und unbeweglich — er wan-
derte! Er wanderte! Gleich einem Heer, das einen weiten Weg geschritten kommt,
dem der Wegstaub um die Sohlen wirbelt, wie Damps in die Höhe steigt, Gesichter
und Kleider weiß überkreidet und sich wie eine dichte Wolke um die Wandernden

* Arel Juncker, Berlin. " ebda.

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