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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 7 (Aprilheft 1932)
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Nette, Herbert: Die Beschwörung der Kundali: über eine Sonderform indischer Versenkungspraxis
DOI Artikel:
Strauss, Emil: Lorenz Lammerdien: Romanfragment
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0500

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um sie gesteigert und erhöht wiederzuempfaugeu. Unsere Wertanschau-
uugen vom Menschen zeigen, wie deutlich auch wir diese inneren Stusen
emgsinden. 2lber wir glauben nicht, daß man in diese Stufensolge eingreifen
kann. Es ist das Schicksal des Europäers, daß er immer von sich abgelenkt
wird, so wie der Jnder durch lange Zeiten immer auf sich hmgelenkt wurde.
Die Vielheit der Wesen in nns haben wir vereinsacht, um nach einer Seite
wirken zu können, weil wir sonst vor den endlosen inneren Zwiegesprächen
nicht zur Tat gekommen wären.

Der Iuder hat im Doga sein Innercs zu höherer Einheit gebracht. Er kennt
die Stusen und er benuHt sie. Das ist das Ganze. Das ist der Sinn deis
Weges, den seine heiligen Bücher lehren. Die Verheißungen, die von der
überirdischen Heiterkeit sprechen und vom Llusgehen in dem ewig leuchtenden
Strom, der aus der inneren Vereinigung guillt, mag verstehen, wer erfahren
hat, daß es höchste geistige Wonnen gibt. — Erklärung und Deutung sind
zweierlei und sprechen eine andere Sprache. Und so würde es eine andere
Sprache erfordern, wo es gälte, diese und andere Bilder in ihrer ganz bild-
losen, letzten und unmittelbaren Wirklichkeit zu beweisen.

Lorenz Lammerdien

Romanfragment.

Von Emil Stranß

^jorenz Lammerdien war der vierte Sohn und das siebente Kind des GoLL-
r^lob Lammerdieu, Schulmeisters zu AHenbronn.

2lls Gottlob Lammerdien eines Samstagabends des Frühjahrs 1848 der
Tischrunde im „Waldhorn" das neu augekommene Blättchen vorlas, hatte
er auch einiges zu lesen von der politischen Wirksamkeit des sranzösischen
Dichters Alphonse de Lamartine, der nach der Februarrevolution in die pro-
visorische Regierung gewählt und Nninister der auswärtigen Llngelegenheiten
geworden war. „Lamärdine" sprach der Borleser aus, etwas scheuend vor
dem sremden Nnmen, doch ohne zu merken, welche Zauberkrast darin steckte.
Der Psarrer aber seHte die lange Pseise ab, gab mit deren elastisch schwanken-
dem Nkundstück einen Wink und sagte: „Der spricht sich Lammartinn!"

Da aber sein Sprachvermögen nur über provinzielle Laute versügte, er auch
von Natur etwas hastig redete, so klang das zweite a nur ganz dumps wie
ein schwaches e und das t kaum härter als ein d. „Lammerdinn, nicht viel
anders als Sie, Herr Lehrer", fügte er verbindlich lächelnd hinzu, spiHte
den Nkund, der von samstäglichen Stoppeln umstarrt war, und sog an der
Pseise. „Nkeine Frau besiHt ein Buch von ihm, das heißt: Vozmgs en
Orient, aus Deutsch: Reise ins Nkorgenland, und soll schön und gesühlvoll
geschrieben sein. Ich dachte, er sei mehr so ein Dichter sür Damen; nun werde
ich mir das Buch aber doch einmal ansehen. Vo^ags on Oriont."

„'s ist schad, Lammerdien," ries der Stabhalter, „daß der nicht bei uns Nki-
nister ist! Nämlich von wegen: Du HLttest dich dann als Better melden
können; er hätte dich gewiß gut im Schulrat oder Nkinisterium unterge-
brachk. Viel mehr gehört ja heutzutag ost nicht dazu."

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