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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 3 (Dezemberheft 1931)
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Thiry, Antoon: Zwei Weihnachtsgeschichten
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Brock, Erich: Hegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0216

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Säule Lhrorrte, blieb er plöHlich keuchend stehen und grifs nach seiner Kehle.
Ehe die wimmelnde Kinderschar still stand, sank er plöHlich ans die Knie und
siel gegen das Geländer. Sein Zylinder rollte aus den Boden, sein weißer
Kopf nickte auf seine Brust, und es gab ein knrzes Krachen von Holz.
Mädchen kreischten ängstlich. Jungens liesen erschreckt in die Rechtestraße
hinein. Einige nnr von den größeren drängten sich gleich zu ihm hin.

„Er ist ausgegliLLen. Er kann nichL mehr hoch. LaßL uns helsen!" geboLen sie.
Sie grissen ihm unLer die Arme, drehLen ihn aus den Rücken, um ihn aus die
Beine zu bringen.

„Komm, Indeke, probiere es mal! 's wird schon gehn!" ermuLigLen sie ihn.
„Heben, Kinder! Eins, zwei, hopp!"

Sie hoben, hielLen ihn halbwegs ans, aber ihre KräsLe ließen bald nach, und
schlass gliLL er zwischen ihren Händen dnrch in den Schnee.

„Er hat sich vielleicht wehgetan!" dachten sie sich. „Wir wollen ihn schnell
ins Armenhaus Lragen!"

„Ia," sagten sie. „Das müssen wir Lun!"

Zwanzig Iungenshände grissen abermals zu, zogen ihn an Armen und Beinen
und den Schößen seines Rockes hoch, nnd senszend und ächzend unter der Last,
die immer wieder zu enLgleiten drohte, schwankten sie die Hohe Brücke hinun-
Ler, über den Quai und in den schmalen Kleinen Bril hinein, wo hoch über den
niedrigen Hänschen SankL Nochus seinen doppelten Treppengiebel im Mond-
schein glänzen ließ.

Sie schoben das grüne Tor auf, und durch den langen weißen Korridor, wo
zwei gelbe Gasflämmchen zischten, brachten sie ihn in das warme, hellerleuch-
LeLe Resektorium hinein, das nach Wasteln roch.

Ein kleines Mädchen Lrug seinen Zylinder und ein anderes seine Geige...
So endete Iüdekes leHLe WechnachLsandachL.

Schöner war es nie sür ihn gewesen...

(Berechtigte Übertragungen aus dem Flämischen von Elisabeth und Felix Augusiin)

Hegel

Von Erich Brock

i^s gibL im allgemeinen zwei ArLen, zu philosophieren: entweder man stellL
v^eine (vielleichL unbewußte) EnLscheidung vor den Ansang des Philosoyhie-
rens, eine EnLscheidung in den großen GrundalternaLiven des Seins, Lebens
und Denkens, und verneinL darnach, miL BewußLsein oder Berdrängung, alles,
was aus die andere SeiLe gehörL und nicht in das gewonnene Schema hinein-
paßL. Eine zweite ArL zu yhilosophieren ist: sich grnndsählich aus die GanzheiL
zu richten und nichL die HälfLe dieser GanzheiL unbedachL zu lassen. RkaLürlich
ist dieser UnLerschied kein ganz scharser. Der Denker der ersten ArL wird immer
das, was er beiseite seHLe, ausdrücklich miL einem nach Wirklichkeit oder WerL
negativen EtikeLL versehen, so daß er doch das Ganze zu behalten meinL. Und der
Denker der zweiten Ark wird praktisch nakürlich auch eine Auswahl vornehmen;
denn das Ganze der WelL ist dem Menschen nur sinnbildlich und durch BerLre-
Lung umspannbar. TroHdem bleibL in der bewußten oder unbewußten Strebung
der GrundgegensaH bestehen. Hier wird das Rkein, dessen Vorzeichen jeweils die

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