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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 5 (Februarheft 1932)
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Briccius, W. A.: Wege aus der Krisis
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0376

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Bersuch, dem svzialistischen Wollen ein theoretisches Fundament zu geben. Er be-
schränkt bewußt seine Arbeit, die darum bei aller Gründlichkeit nur Skizzencharakter
tragen kann, auf das Herauöarbeiten der allgemeinen Grundlinien. Diese sind aber
schars gezeichnet, und er geht mit großer Exaktheit an die Frage der Preisbildung
in der sozialistischen Wirtschaft heran. Wenn auch hier nur die Umrisse gezeigt
werden, so ist trotzdem dieseö Kapitel das interessanteste. Er geht mit Recht auf das
in der neueren Nationalökonomie verpönte Wertproblem wieder ein und kommt zu
dem Ergebnis, daß es eine Wirtschaftsrechnung nur geben kann, wenn den einzelnen
Gutern bestimmte Bedeutungsgrößen zugeordnet werden können. Diese Bedeu-
tungsgrößen sind in der kapitalistischen Wirtschaft die Preise. Mit zunehmender
Zentralisierung in einer sozialistischen Wirtschaft entwickelt sich die Lösung dieser
Aufgabe zur Frage der ökonomischen Zurechnung. Es kommt darauf an, die Be-
deutung der einzelnen Güter für den Produktionserfolg zu ermitteln, so daß erst im
Rahmen des Einzelvorganges und dann im Rahmen der Gesamtwirtschaft jedem
Teilchen einer Gütergattung eine Bedeutungsgröße zugeordnet werden kann, die
seinem Nutzen im Gesamtprozeß entspricht. Dafür bringt Landauer eine recht gute
Begründung, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.

Von großer Bedeutung ist es aber, mit welcher Klarheit Landauer die Grenzen
des Erreichbaren in einer Planwirtschaft betont. Weit davon entfernt, ein Wirt-
schaftsparadies zu versprechen, lehnt er alle Wunschbilder einer Wirtschaft, die aus
reiner Gesinnungsethik konstruiert sind, ab. Er ist sich völlig darüber klar, daß
durch die Verringerung der Einkommensunterschiede der Arbeiter nicht
sehr viel reicher wird. Aber mit der Zusammendrückung des Unterschiedes zwischen
Arm und Reich wird eine Fülle von Zügen aus dem Leben der Gesellschaft von
heute und gestern verschwinden, die das Gesicht der Epoche entstellt haben.

Die ideale Verkehrswirtschaft sieht Landauer als eine ebenso optimale Wirtschaft
wie eine vollkommen rationale Planwirtschaft. Beide sind praktisch unmöglich.
Der Streit kann also nur darum gehen, ob die reale Verkehrswirtschaft dem
Jdealtyp näher kommt, oder ob fich eine Planwirtschaft verwirklichen läßt,
die bessere Gewähr für das Eintreten optimaler WirtschaftSvorgänge bietet.

Und noch auf eines sei aufmerksam gemacht: daß, obschon Landauer den Mut zur
Lltopie gelten läßt, er doch Politik scharf von der wirtschaftstheoretischen Betrach-
tung scheidet. Er geht sogar so weit, „mit der theoretischen Llberlegung dem Gang
der Geschichte vorzugreifen, um dem wirtschaftspolitischen Handeln Ziele zu setzen".
Die unbedingte Notwendigkeit dieser Grenzziehung hat kürzlich I. Schumpeter (in
„Der Deutsche Volkswirt", Heft iz/i4) folgendermaßen formuliert: „Der Leser
sieht ohne weiteres ein, daß, wenn er einen Arzt konsultiert und ihn mit einer tröst-
lichen Diagnose verlassen hat, wenn er aber gleich darauf von einem Auto über-
fahren wurde, das nichts beweist gegen den Arzt oder die Medizin. Warum fällt
es ihm so schwer, dem Okonomen, der auch nur auf Grund der Tatsachen seineS
Gebietes urteilen kann, die gleiche Gerechtigkeit zu erweisen in einer Welt, in der so
viele politische Autos umherlaufen?" BricciuS

Umschau

Die Folterkammer Europas

i.

^n einem kürzlich erschienenen Buch
--Dist die Geschichte Polens in den ersten
elf Jahren seiner Wiedergeburt geschil-

32/s

dert worden. Wenn man die letzte Seite
hinter sich hat, dann denkt man ent-
setzt: Das ist die Folterkammer Euro-
pas! Jst es im 20. Jahrhundert und
ist es mit Duldung, Förderung, Hand-
reichung der Großmächte und interna-
 
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