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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 3 (Dezemberheft 1931)
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Endres, Fritz: Nordische Dichter
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Rinn, Hermann: Noch ein paar Ratschläge
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0239

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Arbeit auf Schifföplanken nnd zwischen Hüttenwänden nicht zerbrechen kann, fo-
lange sie noch eine Hoffnung, eine Sehnsucht und ein derbeS Lachen haben.

Soeben, also leider etwas zu spät, erhalte ich daS neueste Buch von dem Dänen
Harry Söiberg, „Der letzte Weg" (übersetzt von Niels Hojer, Verlag Schaff-
stein). ()ch habe es einstweilen nur rasch durchgelesen; eine eingehende Kritik wird
folgen. Aber jetzt schon kann ich feststellen, daß dieser dritte Teil einer Trilogie,
deven frühere Bände „Der Seekönig" und „Die Tochter" heißen, einen vortrefflichen
Eindruck macht. Vor allem reizt die wikingerhafte Gestalt eines alten Schiffers
Ole Skärpe, der langsam dem Tode entgegeuschreitet, ohne die Härte und den starren
Trotz aufzugeben, denen er die Erfolge seines Lebens verdankt. Jn diesen nordischen
Menschen ruht, so scheint es, noch unverbraucht eine Kraft, deren das Abendland
heute mehr denn je bedarf. §ritz Endres-Lübeck

ein paar Ratschläge

s nders werden Iugend und Alter von den Worten eineö klassischen Autors be-
^-^.rührt. Stellen, die für den Knaben nur rhetorische Gemeinplätze sind, nicht
besser und nicht schlechter als hundert andere auch, die ein gescheiter Schriftsteller
verfassen kann, die er auSwendig lernt, ganz schön findet und, wie er glaubt, selber
nachahmen kann ... kommen ihm schließlich nahe, wenn Jahre vergangen sind und'
er selber Erfahrungen gesammelt hat, und durchdringen sein Herz, als hätte er zuvor
sie nie gehört, mit ihrer Trauer und ihrem Ernst, - mit ihrer lebendigen Exaktheit.
Dann versteht er, wie es kommt, daß diese Verse, das Erzeugnis eines zufälligen
MorgenS oder Abends, bei einem jonischen Feste oder zwischen >den Sabinischen Hü-
geln, Geschlecht für Geschlecht überdauert haben, Tausende von Jahren, mit emer
Macht über den Geist, mit der die laufende Literatur, trotz all ihrer handgreiflichen
Vvrteile, sich zu messen ganz und gar unfähig ist. Vielleicht war das der Grund
für die populäre Meinung des MittelalterS, daß Vergil ein Prophet oder Magier
war. Seine einzelnen Worte und Sätze, seine pathetischen Halbverse geben, wie die
Stimme der Natur selber, AuSdruck dem Leid und der Schwermut, aber auch wieder
der Hosfnung auf bessere Tage, welches alles zu jeder Zeit die Erfahrung ihrer
Kinder ist." Mit diesen Worten John Henry Newmans schließt das kleine Buch
Theodor HaeckerS „Vergil, Vater des Abendlandes" (Jakob Hegner). igzo
war das Jahr Vergils. (^talien hat den ,2000. Geburtstag des Dichters pompös
begangen, Briefmarken mit Versen Vergils verziert, und es fehlte nicht viel, daß
die Weissagung der Vierten Ekloge noch auf den Duce bezogen wurde. Auch im
deutschen Kulturbettiebe durfte daS Ereignis nicht übersehen werden, obschon die
Stimmen der Festredner wenig überzeugt und wenig überzeugend geklungen haben.
Um so erfreulicher das ZeugniS zweier Vergilbücher, die beide um >ein herzlicheres,
aufrichtigereS, aufgeschlossenereS Verhältnis des Deutschen, dem Vergil seit Schil-
ler allzusehr zur Schullektüre geworden ist, für den Dichter werben. Mir scheint,
in glücklicher Weise, ohne falsche Apologetik und Polemik. Der Zusammenhang
des einen VerfasserS, Walter Wili („Vergil", C. H. Beck) mit dem „Kreis" Stefan
GeorgeS verrät sich schon durch die äußere Ausstattung wie durch die AuSdrücke
„Tucht" und „Ewe" (trotz der Borchardtschen Kritikl), verrät sich im Guten durch
die sprachliche „Haltung", den Ernst und die Ehrerbietigkeit gegen seinen Gegen-
stand — im Negativen durch eine gewisse spröde und — stellenweise — fühlbare
gewollte Steigerung, die mehr mit Rhetorik als mit „Stil" zu schaffen hat. JndeS
ergibt das Lateinische an der Erscheinung Georges keine schlechte Voraussetzung,
wiewohl wiederum sein „Kreis" mit dem Dichterkreis um Augustus nichts gemein-

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