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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1932)
DOI Artikel:
Böhm, Hans: Schriften von und über Goethe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0441

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Schristen von und über Goethe

i. Ausgaben

oethe hat sich in der ersten Hälfte seines Lebens wenig um den genanen Text

vO^seiner Schristen gesorgt, und auch später sind ihm wie seinen philologischen
Mitarbeitern die Grundsätze moderner Quellenkritik noch sremd geblieben. Eino
wissenschaftliche Durcharbeitung brachte erst, von 1667 an, die Weimarer Sophien-
Ausgabe (Böhlau), mit Lesarten-Apparat und Berichten die umfänglichste allev
Goethe-Ausgaben, und wenn auch in Emzelnem überholt, die Grundlage aller Be-
mühungen um den Wortlaut seines Werkes: 6g Bände: Dichtung, iH: Naturwis-
senschaftliche Schriften, 16: Tagebücher, go: Briefe. — Die billigste Ausgabe der
„Werke" ist die in Reclams „Helios-Klassikern" erschienene, die teuerste und schönste
die chronologisch aufgebaute Propyläen-Ausgabe, die handlichste die (gnsol-AuSgabe,
deren 17 Dünndruckbände durch H Bände auSgewählter Briefe, Tagebücher und
Gespräche ergänzt werden. — Zu diesen reinen Textausgaben treten kommentierte
wie die bei Bong erneuerte alte Hempelsche und die der Meyerschen Klassiker-Aus-
gaben; die schönste, die Cottasche „(gubiläums-Ausgabe", ist leider vergriffen und
liegt jetzt nur noch in einer AuSwahl vor.

Dieser Auswahlen sowie der Einzelausgaben ist Legion; hervorgehoben seien die
kommentierte Faust-AuSgabe Trendelenburgs, die chronologisch geordneten Gedicht-
bände der Jnsel, die (gtalienische Reise mit Zeichnungen Goethes und seiner Freunde
(Jnsel), die synoptischen Ausgaben von Götz, Jphigenie und Faust I. Eine „Zu-
sammenschau" von Goethes Llberzeugungen über „Gott und Welt" ermöglicht am
schönsten Paul Lorentz' „Quellenbuch zu Goethes Weltanschauung" (Ehlermann).

2. Erläuterungsschriften ohne Text

An die Spitze gehört Gräfs Sammlung der Äußerungen Goethes über seine Dich-
tungen, ein unentbehrliches Rüstzeug für jede eindringendere Betrachtung (9 Bände,
Rütten öc Loening). — Victor Hehns und Loepers in vielem veraltete Kom-
mentare zur Goetheschen Lyrik zu ersetzen scheint berufen ein Nachlaßwerk des
Königsberger Literaturforschers Baumgart „Goethes lyrische Dichtung in ihrer
Entwiöklung und Bedeutung" (Winter, Heidelberg); unpedantische Sorgfalt gegen-
über der Textüberlieferung und eine gehaltene Wärme der Jnterpretation zeichnen
den ersten Band aus, dem zwei weitere folgen sollen. — Die weitaus meisten Kom-
mentare gelten nach wie vor dem Faust. Die bedeutendste Neuerscheinung ist der
gewichtige Band Heinrich R i ck e r t s (Mohr, Tübingen), der, ganz in Goethes
Sinn, vor allem die Einheit der Dichtung erweist und verteidigt gegenüber den
„Zerstückelungstendenzen" der bisherigen Erklärer; zugleich fördert seine tiefschür-
fende und feinfühlige Analyse das Verständnis zahlreicher Einzelheiten (Die Wetten,
das Helenadrama, die „Herrschertragödie" des letzten Aktes); in beiden Hinsichten
dürfte das Werk des greisen Philosophen einen Markstein in der Geschichte der
Faust-Erklärung bedeuten. — Nur gleichsam die Höhen der Dichtung berührt und
verbindet die geistvolle, dichterisch bewegte Studie Hermann Hefeles (Frommann),
während P. Expeditus Schmidt (Kösel L Pustet) eme ansprechende volkstümliche
Wiedergabe bisheriger Ergebnisse bringt. Hohlenberg (Geering, Basel) gibt
eine Deutung von der Weltansicht Rudolf Steiners aus: sie mutet den nicht „Ein-
geweihten" freilich an wie die gewaltsamen (gnterpretationskünste vorwissenschaft-
licher Zeiten. Kühnemanns zweibändiger „Goethe" endlich (Jnsel-Verlag) baut eine
breite umschreibende Nacherzählung des „Faust" in eine Biographie ein, ohne daß
es ihm gelänge, bis zur Tiefe vorzustoßen und den Zusammenhang von Leben und
Dichtung faßbar zu machen.

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