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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 9 (Juniheft 1932)
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Brock-Sulzer, Elisabeth: Übersetzungen
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0677

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DaS Übersetzen ist Geschäft geworden, und nlcht immer ein sanberes. Aufmerk-

samkeit tnt not, damit nicht Wert und Ehre deutscher Sprache verloren gehe. —

Wie erleichtert nimmt man dagegen die H ö l d e r l i n - klbersetzung von Jouve in
die Hand*. Jouve hat vor allem die Gedichte aus ber irren Zeit Hölderlins den
Franzosen vermitteln toollen und zum Verständnis der Welt dieses Dichters nur
ein paar der Hauptwerke aus der wachen Zeit vorangestellt. Wenn es treues
klbersetzen gibt, dann ist es dieses. Jm allgemeinen treten die Franzosen an fremde
Literaturen mit dem Anspruch heran, die Werke durch die Übersetzung „klarer" zu
machen. Sie glauben, dem Menschengeist einen Dienst erwiesen zu haben, wenn
sie ein Subjekt an den angeblich gottgewollten Platz am Anfang des Satzes gestellt,
einen langen Satz in mehrere kurze verwandelt haben und einige sinngeschwellte Parti-
zipien in federgewichtige Nebensätze. Von dieser Einstellung spurt man m der
Übersetzung ^ouves nichts. Gewiß ist, daß in französischer klbersetzung vieles bei
Hölderlin vernünftiger, vieles aber auch unvernünftiger tönt als in der blrsprache.

Es ist, als zerlegte die fremde Sprache das Zwielicht, in dem viele Dinge gerade

aus der Zeit des WahnsinnS schweben. Gewiß ist auch, daß das eherne, durch den
Verfall der altfranzösischen Deklination bedingte Gesetz, das Subjekt gehöre an
den Anfang, das einzigartige Ansturmen des Hölderlinschen Verses in ein Nieder-
steigen verwandelt. Gerade die pathetischen Verse müssen sehr darunter leiden.
Aber da dies alles so ohne Anmaßung geschieht, einfach unüberwindbares Hemmnis
ist für den schlichten Willen, Spiegel zu sein fremden Werks, so m'mmt man es
hin. Die Musik Hölderlins ist nicht da, da aber sind seine Takte, seine Worüe,
sein Sinn. Und es ist nun fesselnd, zu sehen, wie das Französische sich selber be-
reichert in dieser Übersetzung. Da gibt es Verse, die an Mallarme erinnern, solche,
die erst der literarische Jmpressionismus gestattet hat, gibt es andererseits solche,
die an die französische Vorklassik erinnern, jene Zeit, da man den Artikel noch
nicht setzen mußte, da die Satzstellung unendlich freier und wandelbarer war.
Und es ist rührend, zu erkennen, wie hier Racine und Lamartine, Villon und'
Valery zusammentreten, um dem Fremden Einlaß zu gewähren. Sicher wird diese
philologisch so anständige Übersetzung Frucht tragen im literarischen Leben des
Frankreich von heute. Sind doch diese letzten Sprüche Hölderlins sehr verwandt
mit der dunklen Dichtung der Moderne, dem trobsr olns der Neosymbolisten. Und
wo sie der Kunst entgleiten in die Nacht des JrrsinnS, da mag sie der Seelen-
forscher auffangen, um ihnen noch einen Sinn jenseits des Wortes abzulauschen.

Elisabeth Sulzer

Umschau

Konferenz Nr. 35

i.

rofessor Friedrich Grimm, der be-
kannte Verteidiger vor französifchen
Kriegsgerichten, stellt in seiner neuen,
ausgezeichneten Schrift „Das deutsche
Nein"* fest, daß die Konferenz von Lau-
Hanseatische DerlagSanstalt Hamburg. -—
Dergleiche auch Schacht: „Das Ende der Re-
parationen". Stalling, Oldenburg.

sanne, die am 16. Iuni zur „dauernden
Regelung" der Tributfrage zusammen-
treten soll, die ZZ. ist, die sich mit der
Frage befaßt, die die Franzosen Repa-
rationen und die Deutschen Tribute nen-
nen. Ob die Konferenz überhaupt statt-
findet, weiß nur Frankreich. Die Ameri-
kaner, auf die es dabei ebenso ankommt,
werden nicht vertreten sein. Bedenkliche
Vorzeichen für diese Konferenz, von der
die Völker erwarten, daß sie das Haupt-

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